19.12.2016 Rundbrief

Rundbrief zum Jahresende

an die Überlebenden des KZ Neuengamme, Hinterbliebene und Angehörige und den Freundeskreis der Gedenkstätte

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

das Jahr 2016 begleitete unsere Arbeit mit einer Reihe von erfreulichen, aber auch traurigen Nachrichten. Erneut galt es Abschied zu nehmen von Überlebenden des KZ Neuengamme, die uns in den zurückliegenden Jahrzehnten tatkräftig zur Seite standen. Zu ihnen zählen der am 1. Februar 2016 im Alter von 93 Jahren verstorbene langjährige Vorsitzende des dänischen Verbandes "Landsforeningen af kz-fanger fra Neuengamme" Helge Hansen und der am 2. November 89-jährig verstorbene Janusz Kahl, der über 20 Jahre als Vertreter des polnischen Verbandes in der „Amicale Internationale KZ Neuengamme" das Amt des Vizepräsidenten ausübte. Wir trauerten aber auch um viele jüngere Begleiter unserer Arbeit, so um die Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler und Hamburgs Altbürgermeister Dr. Henning Voscherau. An dessen enge Freundschaft zu Vertretern der Amicale Internationale erinnerte bei der Trauerfeier Hamburgs heutiger Bürgermeister Olaf Scholz und fügte im Blick auf Voscheraus Verdienste hinzu: "Die Gedenkstätte ist heute ein lebendiger Lernort ohne Strafanstalten."

Auf die Fortschritte in der Erinnerungsarbeit verweisen auch die Ausstellungen, die wir seit nunmehr 15 Jahren jeweils zu Jahresbeginn anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus auf Einladung der Bürgerschaft im Hamburger Rathaus präsentieren können. Die diesmal unter einem eher ungewöhnlichen Thema stehende Ausstellung: "Hamburger Fußball im Nationalsozialismus. Einblicke in eine jahrzehntelang verklärte Geschichte" zählte ein großes Medienecho und fast 10.000 Besucherinnen und Besucher. Während der dreiwöchigen Ausstellungsdauer fanden 20 Begleitveranstaltungen statt, an denen insgesamt über 800 Personen teilnahmen, darunter sehr viele insbesondere junge Menschen aus den unterschiedlichen Fan-Szenen der Hamburger Fußballvereine. Das Begleitheft zur Ausstellung fand ebenfalls große Beachtung.

Im weiteren Verlauf des Jahres zeigten wir in Neuengamme die Wanderausstellung "Zwischen Harz und Heide. Todesmärsche und Räumungstransporte im April 1945" und beteiligten uns u.a. an der Präsentation der Ausstellung zum "Vernichtungsort Malyj Trostenez" in der Hauptkirche St. Katharinen, die in unmittelbarer Nähe des mit unserer Unterstützung entstehenden und an die Deportationen aus Hamburg erinnernden Gedenkorts "denk.mal Hannoverscher Bahnhof" liegt. Im März begannen an der Gedenkstätte zwei Drittmittelprojekte zu "Rassismen in Kolonialismus und Nationalsozialismus" und zu "Militärjustiz und Stadt im Krieg".

Zu den Veranstaltungen zum 71. Jahrestag der Befreiung im Mai 2016 lud die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wie auch in den letzten Jahren KZ-Überlebende ein. 15 von ihnen reisten aus Belarus, Israel, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, Tschechien und der Ukraine an. Zu den von ihnen angebotenen Zeitzeugengesprächen kamen viele, vor allem junge Menschen. Vom 30. April bis zum 2. Mai 2016 trafen sich Angehörige der 2. und 3. Generation sowie weitere Interessierte zu dem Forum "Zukunft der Erinnerung" und besprachen Möglichkeiten eines verstärkten internationalen Austausches und neue Formen des Erinnerns. Im Rahmen des Forums, das im Mai 2017 fortgeführt werden wird, und bei der zentralen Gedenkveranstaltung präsentierten Jugendliche und junge Erwachsene, die sich intensiv mit der Geschichte der eigenen Familie und ihrem eigenen Zugang zum Nationalsozialismus beschäftigt hatten, ihre Ergebnisse in einem Stop-Motion-Film.

Im August nahmen 20 Frauen und Männer zwischen 17 und 62 Jahren, die aus 10 Staaten kamen, an einem Workcamp teil. Sie erstellten Texte für einen Audioguide, schrieben Artikel für die örtliche Presse und kennzeichneten einen Ofengrundriss im ehemaligen Klinkerwerk.

Die Gedenkstätte legte in diesem Jahr zwei weitere Veröffentlichungen vor, den Band 17 der "Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland" mit dem Titel "‘Euthanasie‘-Verbrechen. Forschungen zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik" sowie den von Dr. Oliver von Wrochem und Christine Eckel betreuten Band 6 der Reihe Neuengammer Kolloquien zum Thema "Nationalsozialistische Täterschaften. Nach-wirkungen in Gesellschaft und Familie", dem eine DVD mit Interviewfilmen von Jürgen Kinter beigefügt ist. Dieses Buch konnte bereits nach einigen Monaten in zweiter Auflage veröffentlicht werden. Des Weiteren erschien ein neuer Informationsflyer zur Geschichte des KZ Neuengamme und der Gedenkstätte, der Anfang nächsten Jahres in 11 Sprachen vorliegen wird.

In vielen Ihrer Briefe und Mails, die uns in diesem Jahr erreicht haben, klingen die Sorgen an, die von den aktuellen politischen Konflikten, Kriegen und Terrorismus, dem zunehmenden Rechtspopulismus, Antisemitismus und Rassismus ausgelöst werden. In Zeiten, in denen an die Stelle der Staatengemeinschaften wieder nationalstaatlicher Eigensinn gerückt wird und das Bemühen um weltweite Gerechtigkeit der Sicherung der eigenen Privilegien zu weichen scheint, fragen sich viele, wie weit die geschichtlichen Lehren aus den Erfahrungen mit dem Nazi-Terror tragen. Wer die Schrecken der Konzentrationslager vor Augen hat, weiß um den Wert von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Verstehen wir deshalb die Sorgen als Ansporn, in der Erinnerungsarbeit nicht nachzulassen und besonders wachsam zu sein.

Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünsche ich Ihnen besinnliche Festtage und ein neues Jahr mit besseren Nachrichten,

Ihr

Dr. Detlef Garbe

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