31.08.2016 Veranstaltung, Projekt
Gemeinsam von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, dem Freundeskreis der Gedenkstätte und dem Service Civil International (SCI) wurde vom 13. bis 27. August auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte ein internationales Workcamp veranstaltet. Zwei Wochen lang wohnten auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte rund 20 Frauen und Männer zwischen 17 und 62 Jahren, die aus Italien, Kirgisistan, Polen, Russland, Serbien, dem Baskenland, Taiwan, der Türkei, der Ukraine und Deutschland kamen.
Gemeinsam erarbeiteten die Teilnehmenden die Geschichte von Unterdrückung und Verfolgung im Nationalsozialismus und die vielfältigen Folgen dieses Geschehens vor dem jeweils eigenen kulturellen Hintergrund. Dazu hatte sich die Workcamp-Leitung vielfältige Projekte ausgedacht. Neben dem Besichtigen des Geländes und einem Workshop über die Verfolgung von „Asozialen“ und Kontinuitäten der Augrenzung, bestand unter anderem eine Kooperation mit der Bergedorfer Zeitung, für die die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Workcamps Artikel schrieben, in denen sie sich und ihre Motivation sowie die Arbeit im Workcamp vorstellten. In diesen Artikeln konnten sie sich selbst vorstellen und von ihren Aufgaben und gewonnenen Eindrücken berichten.
An zwei Tagen standen auch Renovierungsarbeiten im Klinkerwerk an. Dort konnten die Teilnehmenden die Arbeit des internationalen Workcamps aus dem Jahre 1993 fortführen: Damals wurden erstmals das Klinkerwerk erschlossen und die Grundrisse eines Brennofens mit weißen Linien nachgezeichnet. Doch da diese nach 23 Jahren merklich verblichen waren, wurde die Farbe von den TeilnehmerInnen aufgefrischt. Ebenso befreiten sie das Abgrenzungsgitter zu den nicht zugänglichen Trockenkammern von Staub und Schmutz. An einem Tag fuhren die Teilnehmenden nach Rothenburgsort, um dort eine der Außenstellen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme kennen zu lernen, die Gedenkstätte am Bullenhuser Damm. Gemeinsam pflanzten sie im Rosengarten hinter der Schule einen neuen Rosenstamm, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Außerdem tauschten sie sich während des Workcamps mit Kindern und Enkeln ehemals Verfolgter aus und nahmen an Archivarbeiten teil. Auch die beim letzten Workcamp begonnene Übersetzung einer türkischsprachigen Kurzinformation wurde fertig gestellt und so können BesucherInnen der KZ-Gedenkstätte nun auch erstmals einführende Informationen auf türkisch finden.
Das zentrale Projekt des Workcamps war das Erstellen einer neuen Audioguidetour. Die Teilnehmenden wollten einen Rundgang entwickeln, der für Besucher und Besucherinnen interessant und einzigartig anzuhören sein würde, und entschieden sich, den Schwerpunkt auf den Kampf um das Erinnern zu legen. In diesem Audiorundgang werden unter anderem vorhandene (und fehlende) Mahnmale für verschiede Opfergruppen auf dem Gelände der Gedenkstätte vorgestellt. Auch die gewonnenen Eindrücke, etwa beim Besuch der Gedenkstätte am Bullenhuser Damm, wurden verarbeitet. Dieser Audioguide wird in den kommenden Wochen online gestellt werden.
Für die Teilnahme am Workcamp gab es für die Teilnehmenden aus den verschiedenen Ländern unterschiedliche Gründe. Gemeinsame Motivation war das Augenmerk auf die Geschichte des Ortes und das Interesse an deutscher Kultur. Aber auch das Interesse am sozialen Austausch mit Menschen aus anderen europäischen Ländern stand im Vordergrund. Seyda aus der Türkei sagte über ihre Beweggründe, am Camp teilzunehmen: „I am here to reach a possibility to break the borders with the others from different cultures, so this camp is very important to come together just as human beings." Ähnlich äußerte sich auch die 21-jährige Studentin Rita aus Russland, die schon an fünf Workcamps teilgenommen hat: „Ich bin der Meinung, dass solche Workcamps sehr bedeutend sind, denn sie bringen uns - unterschiedliche Menschen aus der ganzen Welt - immer zusammen und wir sind hier alle freundlich und gleichgestellt, egal woher wir kommen oder wie alt wir sind.“
Über 30 internationale Workcamps fanden bereits seit 1982 auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte statt und stießen verschiedene Projekte an, deren Spuren man bis heute auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme finden kann. So war es das erste internationale Workcamp, das einen Rundweg über das Gelände anlegte und Informationstafeln aufstellte.
Neben Geldspenden der Firmen Dräger und Continental sowie der Stiftung Deutsches Holocaust Museum unterstützten Läden aus der Umgebung das diesjährige Workcamp mit Sachleistungen: Fahrrad Marcks spendete Zubehör für die Räder der Teilnehmenden, der Vierländer Markt versorgte das Camp täglich mit frischen Lebensmitteln und die Jugendfeuerwehr Reitbrook stellte Zelte und Betten zur Verfügung.