11.12.2017 Rundbrief, Jahresbericht

Rundbrief zum Jahreswechsel

an die Überlebenden des KZ Neuengamme, Hinterbliebene und Angehörige und den Freundeskreis der Gedenkstätte

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

auch in diesem Jahr möchte ich Ihnen mit diesem Brief am Jahresende einen Rückblick auf die Arbeit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme geben. Gerade in einer Zeit, in der in vielen demokratischen Staaten selbstbezogene und rechtspopulistische Tendenzen an Boden gewinnen, wollen wir aktiv Empathie mit den Opfern und eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen des Unrechts vermitteln. Es ist auch eine unserer Aufgaben, verbindende Gemeinsamkeiten und kulturelle Vielfalt zu betonen – und den internationalen Dialog zu fördern.

Einer unserer Schwerpunkte im vergangenen Jahr lag daher auf einer Intensivierung internationaler Begegnungsprojekte. Wir haben unsere Dialogangebote zwischen Angehörigen von Verfolgten und von NS-Tätern weiter fortgeführt. Zu einem Angehörigentreffen am 30. April kamen Nachkommen von ehemaligen Häftlingen der zweiten, dritten und vierten Generation aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Polen und Slowenien. Sie diskutierten während des Forums „Zukunft der Erinnerung“ die Frage, wie an die NS-Verbrechen zu erinnern sei, wenn es keine Überlebenden mehr gibt, die ihre Geschichte erzählen können. Anlass für das Treffen war die internationale Gedenkveranstaltung zum 72. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung am 3. Mai 2017. Zu den Feierlichkeiten kamen auch dieses Jahr Überlebende und ihre Angehörigen sowie weitere Gäste aus vielen Ländern, darunter Belarus, Belgien, Dänemark, Frankreich, Israel, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Russland, Schweden, Slowenien, Tschechien und der Ukraine. Unter den Sprechern waren mit Ivan Moscovich und Joanna Fryczkowska zwei KZ-Überlebende und mit Yvonne Cossu-Alba eine Vertreterin der 2. Generation. Jugendliche, die sich mit „Widerstand im Nationalsozialismus und was wir davon lernen können“ beschäftigt hatten, stellten sich die Frage, was heute gegen Ungerechtigkeit und Rassismus unternommen werden kann. Die entsprechenden Beiträge und auch andere Berichte aus der Gedenkstättenarbeit finden Sie online in unserem Blog auf der Webseite oder auf Facebook.

Im Blog finden Sie auch den Bericht über das diesjährige Internationale Jugendworkcamp. Im Sommer beschäftigten sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Italien, Polen, Portugal, Spanien, Tschechien und der Ukraine mit den Erfahrungen der Nachfahren von Täterinnen und Tätern sowie ehemals Verfolgten und kamen ins Gespräch über Erinnerungskulturen in verschiedenen Ländern.

In der Sonderausstellung anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus, die wir Anfang des Jahres mit Unterstützung der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus präsentieren konnten, zeigten unsere Archivare Alyn Beßmann und Dr. Reimer Möller, dass die Bestrafung der für die NS-Gewaltverbrechen Verantwortlichen ein wichtiges Anliegen der im Krieg gegen Deutschland verbündeten Länder war. Das Curiohaus in Hamburg-Rotherbaum war der wichtigste Gerichtsort für die Kriegsverbrecherprozesse in der britischen Besatzungszone. Hier fanden 188 Militärgerichtsverfahren gegen 504 Angeklagte statt. Es gab zur Ausstellung ein umfangreiches Begleitprogramm, und unser Studienzentrum organisierte eine Tagung zu aktuellen Forschungen über die Verfolgung von NS-Verbrechen durch die Britische Militärjustiz.

Am 10. Mai 2017 wurde der an die Deportation von Juden, Sinti und Roma aus Hamburg erinnernde Gedenkort „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ in der HafenCity vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz im Beisein der letzten Überlebenden sowie Vertreterinnen und Vertretern der Opferverbände feierlich eingeweiht. Wir sind aktuell dabei, das künftig dort entstehende Dokumentationszentrum zu planen, in dem auch die internationale Dimension der NS-Verbre­chen deutlich werden soll. Einen Beitrag hierzu liefert das im April begonnene Drittmittelprojekt „Transgenerationale Überlieferung von Geschichte: Bausteine zur Zukunft der Erinnerung an den Nationalsozialismus in der Migrationsgesellschaft“.

Bei den Neuerscheinungen ist neben einer Überarbeitung des Materialhefts „Entrechtung, Widerstand, Deportationen 1933 – 1945 und die Zukunft der Erinnerung in Hamburg“ und der Ausstellungsbroschüre „Die Hamburger Curiohaus-Prozesse. NS-Kriegsverbrechen vor britischen Militärgerichten“ insbesondere der an unsere Rathausausstellung von 2015 anknüpfende, von Dr. Oliver von Wrochem unter Mitwirkung von Forscherinnen und Forschern aus vielen Ländern herausgegebene Band „Repressalien und Terror. Vergeltungsaktionen im deutsch besetzten Europa 1939 – 1945“ hervorzuheben.

Leider galt es auch 2017 erneut Abschied zu nehmen von Überlebenden des KZ Neuengamme, die unserer Arbeit in besonderer Weise verbunden waren: Ich möchte stellvertretend nennen den in Łódź geborenen Henryk Francuz, Karla Raveh, geborene Frenkel, aus Lemgo und Zuzana Růžičková aus Pilsen.

Auch in diesem Jahr besuchten uns mehr als 100.000 Menschen. Eine Befragung im Sommer machte uns deutlich, welchen Eindruck Besucherinnen und Besucher von der Gedenkstätte mitnehmen und welche Besuchsgründe es gibt – die Befragung zeigte uns erneut, wie international unser Publikum ist und wie wichtig es für viele Menschen ist, dass Gedenkstätten als Erinnerungs- und Lernorte bestehen bleiben und ihre in die Zukunft gerichtete Arbeit fortsetzen.

Für die große Unterstützung, die wir auch in diesem Jahr erhielten, danke ich sehr und wünsche Ihnen im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen besinnlichen Jahresausklang und ein gesundes, friedliches neues Jahr,

Ihr

Detlef Garbe

 

Rundbrief zum Jahresende

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