05.05.2016 Gedenkveranstaltung, Bericht
Grete Hamburg schenkt der KZ-Gedenkstätte Neuengamme das Briefmarkenalbum ihres am Bullenhuser Damm ermordeten Bruders Walter Jungleib
Aus Anlass des 71. Jahrestages der Ermordung von zwanzig jüdischen Kindern, ihren vier Häftlingsbetreuern und weiteren bislang unbekannten erwachsenen Häftlingen am Bullenhuser Damm fand am 20. April 2016 am Bullenhuser Damm eine Gedenkfeier statt. Es nahmen zahlreiche Gäste teil, darunter Angehörige der ermordeten Kinder. Dieses Jahr war erstmals Grete Hamburg, die Schwester Walter Jungleibs, dabei. Sie hat mit ihrer Tochter den weiten Weg aus Israel nach Hamburg auf sich genommen, um an der Gedenkfeier teilzunehmen und die Orte zu besuchen, die mit dem Schicksal ihres Bruders verknüpft sind.
Lange Zeit war in Hamburg nur sehr wenig über Walter Jungleib bekannt. In den überlieferten Quellen fand sich nur der Name, "W. Junglieb." Erst im Sommer 2015 konnte mithilfe der Recherche von Bella Reichenbaum, Angehörige eines anderen ermordeten Kindes vom Bullenhuser Damm und der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mehr über das Schicksal der Familie Jungleib während und nach dem Krieg herausgefunden werden. Lesen Sie dazu mehr in unserem Beitrag "Identifizierung nach 70 Jahren"
Eigentlich hatte sich die heute 86-jährige Grete Hamburg geschworen, nie mehr nach Deutschland zurück zu kehren. Trotzdem ist sie froh, dass sie dennoch diese Reise angetreten hat und die jahrzehntelange Ungewissheit endlich Klarheit über Walters Verbleib gewichen ist. Sie besuchte die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und nahm in Hamburg-Schnelsen an einer Zeremonie teil, auf der die "Jungliebstraße" in "Walter-Jungleib-Straße" umbenannt wurde. Am frühen Abend wurde in der ehemaligen Turnhalle der Schule am Bullenhuser Damm die Gedenkfeier begangen. Auch eine Schulklassen aus Eindhoven in den Niederlanden, der Stadt, in der zwei der "Kinder vom Bullenhuser Damm", die Brüder Alexander und Eduard Hornemann geboren wurden, beteiligten sich an der Feier. Jugendliche, die am Jugendbegegnungsprojekt im vergangenen Jahr teilgenommen hatten, berichteten von ihren Erfahrungen im vergangenen Jahr. Die Gedenkfeier war wie jedes Jahr von der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm organisiert worden.
In diesem Rahmen übergab Grete Hamburg der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ein Briefmarkenalbum ihres Bruders Walter. Zu seiner Leidenschaft für das Briefmarkensammeln sagte sie in einem Interview: "Walter war ein begabter Briefmarkensammler, schon mit 9 Jahren. Später war er Mitglied im Kinder-Philatelisten-Verein. Es ist keine wertvolle Sammlung, aber für mich unbezahlbar. Diese kleinen Alben hat ein Bekannter meiner Mutter nach dem Krieg übergeben. Die Sammlung ist in einem Zustand, ohne dass was geändert ist. Als ich 1949 nach Israel ausgewandert bin, hat mir meine Mutter die Sammlung geschenkt."
Auch für uns ist dieses Geschenk von unschätzbarem Wert. Wo wir bis zum letzten Sommer nur den vagen Namen eines Kindes hatten, haben wir nun eine Person vor Augen, mit einer Vergangenheit, mit einer Familie, mit einer Schwester, die uns heute über ihn erzählen kann. Das Briefmarkenalbum ist ein weiteres Puzzlestück, das das Bild von Walter Jungleib vervollständigt und macht seine Person ein Stück greifbarer. Es wird künftig einen Platz in der Ausstellung der Gedenkstätte Bullenhuser Damm erhalten.
Bericht im ARD Nachtmagazin über den Besuch von Frau Hamburg
Bericht des NDR über die Straßenbenennung und Gedenkfeier in Hamburg-Schnelsen
Kurzfilm über die Gedenkfeier auf Vimeo