26.09.2021 Bericht
Mit einem ersten Workshop hat am 18./19. September 2021 ein Projekt gestartet, das sich den Perspektiven von Menschen mit ost- oder mittelosteuropäischer Herkunftsgeschichte auf die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg widmet.
In den letzten Jahren ist in der deutschen Öffentlichkeit von unterschiedlichen Seiten gefordert worden, die Erinnerungskultur stärker zu diversifizieren. Um den Anforderungen einer vielfältigen, von Migration geprägten Gesellschaft gerechter zu werden und aktuellen Formen von Rassismus in Deutschland zu begegnen, gibt es derzeit vor allem die Forderung nach einer kritischen Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus und seinen Nachwirkungen. Aber auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg gibt es bis heute „blinde Flecken“ in der Erinnerungskultur. Zu diesen gehörte bis in die jüngere Zeit – und tut dies in der breiten Öffentlichkeit teilweise noch bis heute – die Erinnerung an den rassistisch und antisemitisch ausgerichteten deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieg im östlichen Europa und dessen vielfältige Opfergruppen.
Ein knappes Viertel der heute in Deutschland lebenden Menschen hat einen „Migrationshintergrund“. Ein großer Anteil dieser Menschen hat eine ost- bzw. mittelosteuropäische Herkunfts- oder Familiengeschichte. Die meisten von ihnen kommen aus Polen oder aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion und damit aus Ländern, die zentrale Tatorte von nationalsozialistischen Massenverbrechen waren.
Wie sind die Perspektiven von Menschen mit ost- bzw. mittelosteuropäische Migrations- bzw. Herkunftsgeschichte in Deutschland auf den Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg und auf die Erinnerung an die nationalsozialistischen Massenverbrechen im östlichen Europa? Anliegen des unter der Verantwortung von Dr. Susann Lewerenz durchgeführten Projekts „Perspektiven öffnen – Geschichten teilen“ der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ist es, mit einer Gruppe von Menschen ost- bzw. mittelosteuropäischer Herkunft darüber in den offenen Austausch zu treten. Die Ergebnisse der Diskussionen sollen für die historisch-politische Bildungsarbeit aufbereitet werden. Auf diese Weise möchten wir vielfältige Perspektiven auf die Erinnerungskultur in der deutschen Migrationsgesellschaft eröffnen und gängige Narrative der Erinnerungskultur sowie damit verbundene Annahmen hinsichtlich relevanter Sprecherpositionen hinterfragen.
Das Projekt wird im Rahmen des an der Universität Hildesheim verankerten Transferprojekts „Migration Lab Germany“ mit Förderung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ bis Ende Juni 2022 durchgeführt. In zwei Workshops sowie in Einzel- bzw. Kleingruppengesprächen entwickeln wir zusammen mit den Projekt-Teilnehmenden den Rahmen und inhaltliche Themenschwerpunkte für das geplante Online-Bildungsmodul. Der erste dieser Workshops hat am 18. und 19. September in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme stattgefunden, der zweite ist für Januar 2022 geplant. Anliegen des ersten Workshops war es, dass die Projekt-Teilnehmenden einander sowie das Gelände der KZ-Gedenkstätte mit Fokus auf erinnerungskulturelle Fragen kennenlernen sowie gemeinsam und in Kleingruppen Themen- und Fragestellungen entwickeln.
Ansprechpartnerin: Susann Lewerenz, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, susann.lewerenz@gedenkstaetten.hamburg.de, Tel.: 040 428 131 536