02.06.2025 Nachricht

Unsere Freundin Livia Fränkel ist tot

Wir trauern um unsere Freundin, die Auschwitz-Überlebende Livia Fränkel "Livi", die am 31. Mai 2025 im Alter von 97 Jahren in Stockholm gestorben ist.

Livia Fränkel wurde am 4. Dezember 1927 als zweite Tochter der jüdischen Familie Szmuk in Sighet, Rumänien (ab 1940 Ungarn) geboren. Nach der Besetzung Ungarns durch das nationalsozialistische Deutschland im März 1944 musste die Familie in das ehemalige Armenviertel Sighets, das zum Getto wurde, umziehen. Im Mai 1944 wurden sie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo die Eltern noch am Tag ihrer Ankunft ermordet wurden.

Livia und ihre ältere Schwester Hédi schlossen sich im Lager nach dem Tod der Eltern eng zusammen. Beide wurden im Sommer 1944 zur Zwangsarbeit in das Außenlager des KZ Neuengamme auf der Veddel (Dessauer Ufer) und von dort in die Außenlager in Wedel und Eidelstedt deportiert. Am 15. April 1945 wurden sie schließlich aus dem KZ Bergen-Belsen befreit. Sie kamen zur Rekonvaleszenz nach Schweden und entschieden sich, dort zu bleiben. Beide Schwestern heirateten und gründeten Familien mit jeweils drei Kindern. Da Hédi Fried ihren Mann früh verlor und arbeiten musste, um ihre Familie ernähren zu können, zog Livi ihre Kinder quasi mit auf. Dies erklärt auch den bis heute engen Kontakt, in dem die Familien Fried und Fränkel stehen.

Später studierte Livi Sprachen, engagierte sich in der „Holocaust Survival Association“ und sprach als Zeitzeugin vor allem in Schulen in Schweden.

Seit 20 Jahren nahmen Livia Fränkel und ihre Schwester Hédi Fried jedes Jahr an den Jahrestagen der Befreiung in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme teil und sprachen dann auch hier vor unzähligen Schüler*innengruppen. Neben den Coronajahren war 2025 das erste Jahr, in dem Livi aufgrund ihrer körperlichen Schwäche nicht mehr kommen konnte. Von ihrer Schwester Hédi mussten wir bereits im November 2022 Abschied nehmen. Der Verlust ihrer Schwester nur wenige Tage vor Livis 95. Geburtstag war für sie ein schwerer Schlag.

Bis zu ihrem Tod engagierten sich Livia Fränkel und Hédi Fried gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus und für eine demokratische und menschliche Gesellschaft. Sie sahen es als ihre Pflicht an, vor allem jungen Menschen von den nationalsozialistischen Verbrechen zu berichten und sie zu ermuntern, Zivilcourage zu zeigen und ihre Stimmen gegen Ungerechtigkeit und Faschismus zu erheben. Es war faszinierend, in wie vielen Sprachen sie sich zuhause fühlten, sie sprachen fließend Rumänisch, Ungarisch, Schwedisch, Deutsch, Englisch, Französisch und sicherlich noch einige Sprachen mehr.

Beide Schwestern wurden für ihr politisches Engagement gegen das Vergessen mehrfach hoch ausgezeichnet und wurden zu bekannten Persönlichkeiten der schwedischen Gesellschaft. Der Fotograf Mark Mühlhaus, der die beiden gut kannte, schrieb: „Die beiden waren mehr als besonders. Was sie der Gesellschaft gegeben haben, trotz dem, was ihnen angetan wurde.“

Menschen wie Livia Fränkel haben diese Welt zu einem besseren Ort gemacht. Das Erstarken von Antisemitismus, Rassismus und der damit einhergehende Rechtsruck haben sie sehr beunruhigt.

Livi war eine sehr kluge, warmherzige und schlagfertige Frau, die wir bereits jetzt sehr vermissen. Ihr Verlust ist nicht nur für die Kolleg*innen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ein schwerer Schlag, sondern auch für uns ganz persönlich. Wir waren sowohl mit Livi als auch mit ihrer Schwester Hédi eng befreundet, besuchten sie immer wieder in Stockholm, um beispielsweise ihre runden Geburtstage mit ihnen und der großen Familie Fried/Fränkel zu feiern, und verbrachten Zeit mit ihnen, wenn sie in Hamburg waren.

So trauern wir heute mit der großen Familie, die beide Schwestern stets als ihren Sieg gegenüber den Nationalsozialisten bezeichneten. Unsere Gedanken sind bei Livis Kindern Titti, Dan und Lis, ihren Enkeln und Urenkeln sowie bei Hédis Familie. 

Wir sind traurig. Aber wir werden immer froh sein, dass wir Livi so lange kennen durften.

Karin Heddinga, Ulrike Jensen