01.05.2022 Projekt
Trotz und wegen des anhaltenden Krieges versuchen Historiker*innen in der Ukraine weiterzuarbeiten. Viele wünschen sich, mehr denn je, gehört zu werden und auch weiterhin im Austausch mit Kolleg*innen zu bleiben. In den vergangenen acht Wochen konnten Mitarbeiter*innen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei einem internen Fortbildungsprogramm insgesamt acht Wissenschaftler*innen digital im Rahmen der Vortrags- und Gesprächsreihe #UkrainianHour treffen.
Im Rahmen der digitalen Wissenschaftsbrücke #UkrainianHour berichteten in den vergangenen Wochen Tetiana Pastushenko und Ljuba Danylenko (beide Kyjiw, derzeit Uschhorod) über die aktuell extrem schwierige Situation von ehemaligen NS-Verfolgten in der Ukraine. Anzhela Beljak (Kyjiw, derzeit Rumänien) gewährte uns einen Einblick in ihre Tätigkeit als Landesbeauftrage der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste für die Ukraine und die extremen Herausforderungen der derzeitigen wie zukünftigen Freiwilligenarbeit.
Sowohl Taras Martynenko als auch Andrii Usach (beide Lviv) ermöglichten uns mehr über die Sozialgeschichte des Holocaust und auch der aktuellen NS-Täterforschung in der Ukraine zu lernen. Ihor Dvorkin (Kharkiv, derzeit Lviv) erläuterte das innovative Multimediaprojekt Don’tforget!Kharkiv, das Denkmäler der Stadt digital erklärt. Olesya Yaremchuk (Lviv, derzeit Wien) ließ uns an ihren Reportagereisen zu verschiedenen ethnischen und nationalen Gemeinschaften in der Ukraine teilhaben, die sie zwischen 2015 und 2018 unternommen hat. Eine Nachkommin eines ehemaligen Neuengamme-Häftlings, die ursprünglich aus dem Donbass kommt und zurzeit in der russisch besetzten Südukraine lebt, berichtete uns, wie sie die derzeitige Situation einschätzt und welche Erfahrungen sie seit dem Kriegsbeginn 2014 machen musste.
Im Rahmen des Solidaritätstages der Hamburger Museen am 8. Mai 2022 fand eine öffentliche #UkrainianHour sowie weitere Veranstaltungen in der Gedenkstätte Neuengamme selbst statt. Das Online-Podium „Ukrainian Hour – Offene Wunden: Ukrainische Wissenschaftler*innen über (den) Krieg“ (in ukrainischer Sprache und deutscher Simultanübersetzung) mit Igor Dvorkin (Kharkiv, derzeit Lviv), Andrii Usach (Lviv) und Petro Dolhanov (Rivne) kann jetzt auch online abgerufen werden: Ukrainian Hour
Wir freuen uns sehr, dass weitere Gedenkstätten die Initiative einer digitalen Wissenschaftsbrücke aufgegriffen haben, fortführen und weiterentwickeln. So gibt es ähnliche Formate zum Beispiel von und für Kolleg*innen der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und der Gedenkstätte Wewelsburg. Einmal monatlich findet nun an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Weiden das Format „Krieg und Erinnerung“ statt. Gedenkstätten an Orten ehemaliger Konzentrationslager in Deutschland laden somit weiterhin Wissenschaftler*innen aus der Ukraine ein, die entweder nicht das Land verlassen möchten oder können. Ihnen möchten wir mit diesen Formaten eine zumindest kurzfristige Unterstützung ermöglichen. Wir möchten helfen, ihren selbstgewählten Berufen und Forschungsarbeit, denen sie leidenschaftlich nachgehen, auch weiterhin zu ermöglichen. Gleichzeitig ermöglich(t)en unsere Gäste, dass die Horizonte der Zuhörenden erweitert werden – fachlich, kollegial und menschlich.
Darüber hinaus arbeitet die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte sehr aktiv im „Hilfsnetzwerk für Überlebende des NS-Verfolgung in der Ukraine“ mit . Wir rufen auch weiterhin für das Hilfsnetzwerk zur Unterstützung auf und bitten um Spenden www.hilfsnetzwerk-nsverfolgte.de
Text: Sarah Grandke