12.12.2022 Bericht
Die Idee für diese Veranstaltung entstand im Dezember 2021 bei einem ersten Online-Vernetzungstreffen zwischen Fanprojekten, Gedenkstätten und Initiativen, die historisch-politische Bildungsprojekte mit Fußballbezug durchführen oder dies gern tun möchten. Ziel des Präsenz-Vernetzungstreffens war es, sich durch Workshops und andere Formate zum Thema „Vielfalt“ auszutauschen und gemeinsam danach zu fragen, wie wir unsere Bildungsangebote für vielfältige Zielgruppen zugänglicher machen können.
Am 3 und 4. Dezember 2022 war es soweit: In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme fand das Vernetzungstreffen „Für mehr Vielfalt: Historisch-politische Bildung rund um den Fußball“ in Kooperation mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen, der Koordinationsstelle Fanprojekte, der LAG Fanprojekte NRW, dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, der Initiative „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutschen Fußball“ sowie einzelnen Wissenschaftler*innen und politischen Bildner*innen statt.
Nach der Begrüßung durch Susann Lewerenz (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) und einer kurzen Einführung durch Patrick Arnold (LAG Fanprojekte NRW) konnten sich die 34 Teilnehmenden zunächst bei einem „Markt der Möglichkeiten“ über verschiedene Projekte im Themenfeld informieren und sich untereinander austauschen und vernetzen. Vorgestellt wurden das Projekt „Zusammen1 – Für das, was uns verbindet“ von MAKKABI Deutschland (Mortimer Berger), die Meldestelle Diskriminierung Fußball NRW (Patrick Arnold), die Ausstellung „Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball“ sowie der in der KZ-Gedenkstätte Dachau angebotene Rundgang „Fußball im Konzentrationslager“ im Rahmen der Initiative „!Nie wieder“ (Klaus Schultz), verschiedene Aktivitäten von Fortuna Düsseldorf gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus und für Diversität im Fußball (Tom Koster), die Ausstellung „Ins rechte Licht gerückt – Der Einfluss von rechts auf die HSV-Fanszene der 1980er Jahre“ des Netzwerks Erinnerungsarbeit des HSV (Paula Scholz) sowie die Ausstellung „FC St. Pauli: Lebenswege 1933–45“ des „1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.“ und der zugehörige Workshop von „BAM/Bildung am Millerntor“ als Projekt des Museums (Fabian Fritz).
Nachmittags begann die von Daniela Wurbs (KickIn!) und Uli Heinze (IVF Leipzig) angeleitete Workshop-Phase. Zunächst führten die Teamenden in das Themenfeld „Inklusion“ sowie die Problematik des „Affinity Bias“ ein. Affinity Bias nennt sich die Neigung von Menschen, ihnen ähnliche Personen eher einzubeziehen als Personen, die andere Erfahrungen und Perspektiven mitbringen als sie selbst. Anschließend wurden verschiedene Aspekte bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen vorgestellt, die den Zugang für unterschiedliche Personengruppen erschweren können. Das Spektrum reichte von räumlichen, sprachlichen und sozialen über aufgabenbezogene bis hin zu institutionellen Barrieren. Im Anschluss befragten die Teilnehmenden in separaten Workshops zwei Praxisbeispiele auf potenzielle Barrieren für unterschiedliche Personengruppen und überlegten gemeinsam mögliche Lösungswege. Dabei reflektierten die Teilnehmenden ihre eigenen Vorannahmen und Unsicherheiten hinsichtlich der Einschätzung individueller Interessen und Bedarfe verschiedener Personengruppen. Die Workshops behandelten den von Nicole Steng (KZ-Gedenkstätte Dachau) vorgestellten digitalen Workshop „Fußball im Konzentrationslager Dachau“ der KZ-Gedenkstätte Dachau sowie das von Raimund Lazar (Gedenkstätte Bergen-Belsen) eingeführte Projekt „Kick Dis Out! Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus im Fußball“ der Gedenkstätte Bergen-Belsen.
Am Morgen des zweiten Tages stellten Workshop-Teilnehmende nach einer kurzen Einführung durch Marcin Schink (Gedenkstätte Bergen-Belsen) die von ihnen am Vortag diskutierten Themen und Fragen im Plenum vor, bevor Daniela Wurbs einen Überblick über die zentralen Schritte eines inklusiven Veranstaltungsmanagements gab. In einem Rundgang über das Gelände und durch zwei der Ausstellungen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gaben Georg Erdelbrock (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) und Paula Scholz (LSVD Berlin-Brandenburg) anschließend Einblicke in den Studientag „Fußball in der nationalsozialistischen Gesellschaft und in den Konzentrationslagern“ der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Alternativ dazu bestand die Gelegenheit, ausgewählte Stationen aus den am Vortrag bereits vorgestellten Ausstellungen „Ins rechte Licht gerückt – Der Einfluss von rechts auf die HSV-Fanszene der 1980er Jahre“ sowie „FC St. Pauli: Lebenswege 1933–45“ anzuschauen.
Nachmittags diskutierte Paula Scholz (LSVD Berlin-Brandenburg) mit Melanie Helming (Kiezkick und KZ-Gedenkstätte Neuengamme), Bünyamin Werker (Hochschule Hannover) sowie den Teilnehmenden über Formate und Inhalte, mit denen bisher kaum erreichten Zielgruppen und allen voran Jugendlichen mit unterschiedlichen Hintergründen der Zugang zur historisch-politischen Bildungsarbeit im Bereich des Fußballs geebnet werden kann. Betont wurde unter anderem, wie wichtig es ist, als teamende Person die Gruppe sowie die individuellen Interessen und Bedarfe der Teilnehmenden kennenzulernen. Daneben wurde die Bedeutung von prozessorientiertem Arbeiten und eines Angebots vielfältiger und bisher marginalisierter Biografien hervorgehoben. Auf diese Weise können verschiedene Anknüpfungspunkte geboten und unterschiedliche lebensweltliche Bezüge hergestellt werden, ohne dass die Teamenden sich dabei von eigenen Vorannahmen über die Teilnehmenden leiten lassen.
Abschließend sammelten die Teilnehmenden des Treffens erste Ideen für ein nächstes Vernetzungstreffen im kommenden Jahr, das möglicherweise in der Gedenkstätte Bergen-Belsen stattfinden wird. Diskutiert wurde unter anderem über einen Austausch zwischen Gedenkstätten und Initiativen aus dem Bereich Fußball über die konkreten Schritte einer Planung und Umsetzung von Gedenkstättenbesuchen einschließlich Vor- und Nachbereitung.
Text von Susann Lewerenz