Braunschweig (Büssing-NAG)

Die in Braunschweig ansässige Büssing-NAG Vereinigte Nutzkraftwagen AG nahm in der Rüstungsproduktion eine bedeutende Stellung ein. Für die Produktion von Lkw für die Wehrmacht forderte die Firma 1944 beim KZ Neuengamme Häftlinge für den Arbeitseinsatz an. In der Nähe des Hauptwerkes wurden an der Wörthstraße (heute Schillstraße) fünf Baracken für ein Außenlager errichtet. Die Firma richtete für eine Produktionsverlagerung aus dem Stadtgebiet außerdem ein weiteres Außenlager in Vechelde ein.

Insgesamt mussten in Braunschweig von Mitte September 1944 bis 26. März 1945 mehr als 800 KZ-Häftlinge für die Büssing-NAG Kraftfahrzeugersatzteile produzieren. Bei den Häftlingen handelte es sich überwiegend um polnische Juden aus dem Getto Litzmannstadt (Łódź), die ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort von Vertretern der Büssing-NAG für den Arbeitseinsatz in Braunschweig ausgewählt worden waren. Aus dem Stammlager Neuengamme war bereits zuvor eine Baukolonne von 126 überwiegend französischen Häftlingen eingetroffen. Die Sterblichkeit im Lager war außerordentlich hoch, bis Ende 1944 fielen an die 300 Häftlinge Hunger, Krankheiten und Misshandlungen zum Opfer. Nachdem Anfang 1945 eine größere Zahl „arbeitsunfähiger“ Häftlinge in das Krankenrevier des Außenlagers Salzgitter-Watenstedt/Leinde verlegt worden war, ging die Zahl der Toten zurück. Doch führte die Bestattungsfirma „Pietät“ bis zum 20. März 1945 noch 80 Leichen dem städtischen Krematorium in Braunschweig zu.

Ende März 1945 ließ die SS das Außenlager räumen. Die Häftlinge mussten zunächst zum Außenlager Salzgitter-Watenstedt/Leinde marschieren, um dann am 7. April gemeinsam mit den Häftlingen dieses Außenlagers in tagelangen Zugtransporten in das KZ Ravensbrück gebracht zu werden, wo sie am 14. April eintrafen. Bei der Räumung des KZ Ravensbrück Ende April wurden die Männer zu Fuß weitergetrieben. Ein großer Teil gelangte mit einem weiteren Transport in das Auffanglager Wöbbelin, wo die Überlebenden am 2. Mai durch US-amerikanische Truppen befreit wurden.

Lagerführer im Außenlager Büssing-NAG war spätestens ab Oktober 1944 SS-Hauptscharführer Max Kierstein. 

Zeitraum

17. August 1944 bis April 1945

Anzahl der Häftlinge

800 Männliche Gefangene

Art der Arbeit

Produktion von Kraftfahrzeugersatzteilen

Auftraggeber

Büssing-NAG

Ort

Wegbeschreibung

Die Gedenkstätte befindet sich in der Schillstraße in unmittelbarer Nähe des Braunschweiger Hauptbahnhofs.

Öffnungszeiten: Di. u. Mi. 14–17 Uhr, Do. 16–19 Uhr, jeden ersten Samstag im Monat 14–17 Uhr, und nach Vereinbarung.

Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Bus 411, 419, 421, 429, 431, 439 oder Bahn 5 bis zur Haltestelle „Stadthalle“ oder „Hauptpost“. 

Gedenkstätte

Das Außenlager befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft eines 1837 errichteten Denkmals, das an Soldaten des Freikorps von Major Ferdinand von Schill erinnert. Von Schill hatte sich 1809 ohne königlichen Befehl mit dem Husarenregiment gegen die französische Besatzung erhoben. Seit 1955 diente das Schill-Denkmal militärischen Traditionsverbänden als Gedenkort für die gefallenen Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Nichts erinnerte an das Außenlager.

Eine öffentliche Diskussion um die Gestaltung eines Gedenkortes entwickelte sich seit Anfang der 1990er-Jahre. Antifaschistische Initiativen protestierten lautstark gegen die Kranzniederlegungen am Schilldenkmal an den Volkstrauertagen, bei denen über die Opfer des KZ-Außenlagers geschwiegen wurde.

Erst 1995 beschloss die Stadt Braunschweig auf langjährigen Druck gesellschaftlicher Gruppen, einen künstlerischen Wettbewerb zur Gestaltung einer Gedenkstätte für die Opfer des KZ-Außenlagers auszuschreiben. Die von der Künstlerin Sigrid Sigurdsson entworfene Gedenkstätte wurde im November 1997 eröffnet. Eine Besonderheit dieser Gedenkstätte sind 200 Metalltafeln, die an einer das frühere Lagergelände begrenzenden Mauer angebracht wurden und nach und nach mit Texten aus einem „offenen Archiv“ beschriftet werden.

In dem ebenfalls am Platz des Schill-Denkmals befindlichen ehemaligen „Invalidenhaus“ wurde 2000 eine Dokumentationsstätte eröffnet, in der die Sammlung des „offenen Archivs“ eingesehen werden kann. Sie umfasst Dokumente und private Schriftstücke zur Geschichte des Ortes und zur regionalen NS-Geschichte, die im Rahmen des Projektes „Braunschweig – eine Stadt in Deutschland erinnert sich“ von zahlreichen Braunschweiger Institutionen (Parteien, Gewerkschaften, Behörden, Schulen, Initiativen usw.) zusammengestellt wurden. Eine Übersicht ist über das Internet zugänglich.

Kontakt

Gedenkstätte „KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße“
Schillstraße 25
38102 Braunschweig Tel.: +49 (0) 531 – 2 70 25 65
Fax: +49 (0) 531 – 2 70 25 64
Email: gedenkstaette@schillstrasse.de
Homepage: 
www.schillstrasse.de  
www.vernetztes-gedaechtnis.de/schillstrasse-kz.htm