24.10.2022 Nachricht

Wir trauern um Paula Schemiavitz

Uns erreichte die traurige Nachricht, dass Paula Schemiavitz in der Nacht zum 18. Oktober 2022 im Alter von 89 Jahren in Israel verstorben ist.

1932 wurde Paula Sledzik als jüngstes Kind einer jüdischen Familie mit acht Kindern geboren. Die Familie betrieb in Łódź eine Kleidermanufaktur. Paula war erst sieben Jahre alt, als deutsche Truppen Polen überfielen. Die Familie wurde auseinandergerissen, Paula musste mit ihren Eltern und ihrer Schwester Elsa in das von den Deutschen errichtete Ghetto der Stadt ziehen. Erst starb ihre Mutter an den katastrophalen Bedingungen, kurz darauf ihr Vater. 1943 gelangte eine ältere Schwester zu Paula und Elsa, Rooja. Als das Ghetto Litzmannstadt  im Sommer 1944 aufgelöst wurde, kam Paula mit ihren beiden Schwestern in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Alle drei wurden nach kurzer Zeit in einem Transport von 500 Frauen in die Außenlager des KZ Neuengamme am Dessauer Ufer und in Sasel deportiert. Dort mussten sie schwere Zwangsarbeit im Hafen und im Stadtgebiet verrichten. Anfang April 1945 wurden die Häftlinge des KZ Sasel nach Bergen-Belsen verbracht. Auf dem Transport starb die älteste Schwester. Die knapp 13-jährige Paula Sledzik und ihre Schwester Elsa wurden am 15. April 1945 von britischen Truppen befreit. Aus ihrer Familie hatten nur sie beide und ein Bruder überlebt, der zu Kriegsbeginn nach Russland geflohen war.

Nach einer Zeit im Displaced-Persons-Camp Frankfurt-Zeilsheim ging Paula Sledzik mit weiteren Jugendlichen nach Israel. Dort lernte sie bald ihren späteren Ehemann Michael Schemiavitz kennen. Auch er war ein Überlebender der Shoah. Sie gründeten eine Familie und bekamen zwei Kinder. In den späten 1980er-Jahren lebte die Familie aus beruflichen Gründen für ein paar Jahre in Frankfurt. Diese Rückkehr in das Land der Täter:innen war für Paula Schemiavitz keine leichte Entscheidung.

Paula Schemiavitz‘ Schwester Elsa sagte 1946 im Prozess zum KZ Sasel aus. Paula begann erst in späteren Jahren auf Bitten ihrer Familie über ihre Verfolgungserfahrungen zu sprechen. Sie gab mehrere lebensgeschichtliche Interviews, darunter auch eines in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei ihrem letzten Besuch in Hamburg im Mai 2015.

Wir erinnern uns mit Freude zurück an die Begegnungen mit Paula Schemiavitz, ihren leisen Humor, ihre Zurückhaltung und ihre große Freundlichkeit und Wärme. Unsere Gedanken sind bei ihren Kindern, Enkelkindern und Urenkelkindern.

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