25.07.2023 Bericht

Partizipatives Projekt gestartet

Am 1. und 2. Juli 2023 fand der Auftakt-Workshop zu einem Bildungs- und Publikationsprojekt statt, in dem eine Gruppe von Expert*innen zusammen Bildungsmaterialien über den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg und das Schicksal von NS-Verfolgten aus dem östlichen Europa erarbeitet.

Gemeinsamer Arbeitsprozess

Anfang Juli 2023 ist ein partizipatives Projekt der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gestartet. In der Reihe „Neuengammer Studienhefte“ werden Materialien für die schulische und außerschulische historisch-politische Bildungsarbeit zum deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieg im östlichen Europa und den Schicksalen polnischer und sowjetischer NS-Verfolgter entwickelt. Das Studienheft soll sowohl die Geschichte und Nachgeschichte von Krieg und Verfolgung als auch die Erinnerung daran behandeln. Das Besondere an dem von Susann Lewerenz in Zusammenarbeit mit Eyleen Grinda geleiteten Projekt ist, dass eine Gruppe von fünfzehn Expert*innen Form und Inhalte des Hefts in einem gemeinsamen Arbeitsprozess entwickelt. Das Projekt wird bis Anfang 2024 in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und mit Förderung des Freundeskreises KZ-Gedenkstätte Neuengamme e.V. durchgeführt.

Differenzierte Wissensvermittlung

Ziel des Projekts ist es, Wissen über den bis heute kaum bekannten nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg und die NS-Verfolgten aus Polen und der Sowjetunion zu vermitteln. Zugleich sollen vielfältige Perspektiven auf die Erinnerungskultur in der deutschen Migrationsgesellschaft eröffnet und gängige Narrative der Erinnerungskultur sowie damit verbundene Annahmen hinsichtlich relevanter Sprechpositionen hinterfragt werden. Auch und gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich gezeigt, wie wichtig eine differenzierte Wissensvermittlung zum Zweiten Weltkrieg im östlichen Europa und seiner bis heute weiterwirkenden Nachgeschichte ist, ebenso wie ein reflektierter Austausch über die Möglichkeiten und Grenzen einer gemeinsamen und geteilten Erinnerungskultur zu Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg.

Workshops mit Expert*innen

Realisiert wird die Erarbeitung der Bildungsmaterialien partizipativ: Die Projektgruppe besteht aus fünfzehn Personen, die neben Expertise im Themenfeld zum überwiegenden Teil eine ost- bzw. mitteleuropäische Herkunfts- bzw. Familiengeschichte mitbringen und das Konzept wie auch die inhaltlichen Schwerpunkte des Studienhefts gemeinsam erarbeiten. Zu diesem Zweck werden zwei Workshops in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme veranstaltet – der erste davon fand am 1. und 2. Juli 2023 statt. Der Workshop bot einen Raum, in dem die Projektgruppe den Rahmen und die Themen des Studienhefts zusammen festgelegt und den weiteren Arbeitsprozess miteinander abgestimmt hat. Im zweiten Workshop im Oktober 2023 sollen die Zwischenergebnisse der gemeinsamen Arbeit vorgestellt und in der Projektgruppe besprochen werden, um im nächsten Schritt das Vorhaben gemeinsam abzuschließen.

Weiterentwicklung des Projekts "Perspektiven öffnen – Geschichten teilen"

Mit dem Projekt schließt die KZ-Gedenkstätte Neuengamme inhaltlich wie strukturell an das Projekt „Perspektiven öffnen – Geschichten teilen“ an, das 2021/22 durchgeführt wurde. In dessen Rahmen hatten sich zwölf in Deutschland lebende Menschen mit ost- bzw. mitteleuropäischer Herkunfts- und Familiengeschichte über ihre Perspektiven auf die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg im östlichen Europa ausgetauscht. Ihre Eindrücke und Erfahrungen hatten sie in einem „Pageflow“, einer „Scrollytelling“-Website, verarbeitet. Mehrere von ihnen wirken nun an dem neuen Projekt mit – entweder in Form von Beiträgen oder im Rahmen einer online geführten schriftlichen „Round Table“-Diskussion, die in das Studienheft integriert wird und dazu dienen soll, das Projekt „Perspektiven öffnen – Geschichten teilen“ mit dem Studienheft zu verbinden.

Inhalt der Bildungsmaterialien

Beinhalten werden die Bildungsmaterialien einführende und erläuternde Texte zu verschiedenen Themen wie der deutschen Kriegsführung und Besatzungspolitik im östlichen Europa, dem Schicksal von Kriegsgefangenen, zivile Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlingen aus Polen und der Sowjetunion in verschiedenen Lagern – darunter das KZ Neuengamme – in Norddeutschland sowie den Nachwirkungen von Krieg und Verfolgung nach 1945 und bis heute. Darüber hinaus stellen die Materialien Aufgaben, didaktische Hinweise sowie beispielhafte Analysen, Quellen und Biografien bereit. Integriert werden zudem Ergebnisse eines Projekts zum Schicksal ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter*innen nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion, das zurzeit mit Förderung der Stiftung Aufarbeitung durchgeführt wird.

Nutzbarkeit der Materialien und Bildungsformate

Auf Grundlage des Studienhefts wird die KZ-Gedenkstätte Neuengamme ein- und mehrtägige Bildungsformate anbieten. Aber auch außerhalb der Gedenkstätte sollen die Materialien für die schulische und außerschulische historisch-politische Bildungsarbeit mit Zielgruppen ab der schulischen Oberstufe vor allem in Norddeutschland nutzbar sein. Angedacht ist diesbezüglich auch die Konzeption einer mehrtägigen Exkursion, die neben einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Neuengamme voraussichtlich auch Besuche der Gedenkstätte Lager Sandbostel, des Denkorts Bunker Valentin in Bremen-Farge sowie der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg einschließen wird.

Susann Lewerenz