04.06.2018 Zeitzeugengespräch

Kindheit im Nationalsozialismus als jüdisch Verfolgte

Trotz des heißen Sommerabends waren am Dienstag den 29. Mai 2018 rund 70 Personen ins Ökumenische Forum gekommen, um einer Zeitzeugin und zwei Zeitzeugen zuzuhören, die über ihre Kindheit im Nationalsozialismus als jüdische Verfolgte berichteten.

Das Gespräch fand nur zwei Straßen entfernt vom Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof statt, der an mehr als 8000 Juden, Sinti und Roma aus Hamburg und Norddeutschland erinnert, die 1940 bis 1945 in Gettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden sind.

Karin Heddinga moderierte den Abend im Rahmen des von der Zeit-Stiftung unterstützen Projekts „Transgenerationale Überlieferung von Geschichte: Bausteine zur Zukunft der Erinnerung an den Nationalsozialismus in der Migrationsgesellschaft“. Durch Interviews wird in diesem Projekt der KZ-Gedenkstätte Neuengamme die familiäre Weitergabe der Erinnerung an Verfolgung und Deportationen untersucht.

Alle drei Mitwirkenden erzählten von engen Angehörigen, die vom Hannoverschen Bahnhof deportiert worden waren. Die Geschichten von Michael Rosenberg, Marianne Wilke und Pit Goldschmidt eint, dass Erwachsene Mitgefühl mit den zwischen 1929 und 1935 geborenen Kindern hatten und sie unterstützten und sogar als nichtjüdische Kinder tarnten.

Pit Goldschmidts Eltern trafen die schwere Entscheidung ihn als Kleinkind in eine katholische Kindereinrichtung zu geben, um ihn zu schützen. Erst nach dem Krieg lernte er beide wirklich kennen, die - als eine glückliche Ausnahme - die Lager überlebten. Michael Rosenbergs Lehrerin setzte ihn heimlich auf eine Liste für die Kinderlandverschickung, wodurch er unerkannt in der Ostprignitz aufwuchs. Seine 1941 ins Getto Minsk deportierte Mutter sah er nie wieder. Und auch Marianne Wilkes Lehrerin meldete das Mädchen nicht als „Halbjüdin“ und sorgte dafür, dass Marianne nach der Schule bei einer Freundin als Hausmädchen angestellt wurde.

Durch den Nationalsozialismus geprägt, begann Marianne Wilke bald nach Kriegsende, sich antifaschistisch und in der Friedensbewegung zu engagieren. Über das Bemühen für einen Gedenkort am Hannoverschen Bahnhof sind die drei ZeitzeugInnen dankbar, aber sie sind sich auch einig, dass dieses Bemühen zu spät kam. Am Ende des Gesprächs stand der Appell der ZeitzeugInnen an die jungen Leute im Publikum, sie seien nun in der Verantwortung, gegen Faschismus, Rassismus und Krieg einzutreten.

Bericht von Liisa Noack (Praktikantin)