31.05.2022

Kamila Sieglová, geb. Frischmannová verstorben

Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme betrauert den Tod einer weiteren Überlebenden. Kamila Sieglová, geb. Frischmannová, schloss am Morgen des 28. Mai 2022 für immer die Augen.

Geboren wurde sie 1925 in Hradec Králové, dem damaligen Königgrätz. Drei Jahre später wurde ihre Schwester Ruth geboren. Gemeinsam erlebten sie eine glückliche Kindheit in ihrem Elternhaus im Vorland des Riesengebirges. Diese unbeschwerte Kindheit endete mit der Schaffung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ durch die Deutsche Besatzung. Es folgte Stück für Stück die systematische Verdrängung der jüdischen Mitglieder aus der Gesellschaft, Verfolgung und Kennzeichnung durch den gelben „Judenstern“.

Eine Belastung, die für Kamilas Vater Rudolf nicht ohne Folgen blieb. Er verstarb im Januar 1942. Die Mutter Anna blieb mit den zwei Mädchen zurück. Wenige Monate später, im Dezember 1942 wurde die Familie ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Nach einem Jahr dort erfolgte der Weitertransport nach Auschwitz-Birkenau. „Dann kam [der] Sommer 1944, ein Wunder, statt Gaskammer, Transport nach Hamburg, Dessauer Ufer, zuerst, dann Neugraben, Tiefstack, wo wir sehr schwer arbeiteten.“ 

Das Außenlager Hamburg-Tiefstack wurde Ende März/Anfang April 1945 bei einem Bombenangriff zerstört. Zu den vielen schwer verletzten Häftlingen gehörte auch die „zarte (…) allseitig begabte“ Ruth. Kamila und ihre Mutter sahen das 17-jährige Mädchen dort zum letzten Mal. Sie starb kurz nach der Befreiung in Bergen-Belsen.

Auch Kamila und ihre Mutter gelangten in das KZ Bergen-Belsen, jedoch in einem anderen Waggon. Sie erlebten ihre Befreiung am 15. April 1945 – erschöpft und von Typhus gezeichnet. Im Juli kehrten die zwei überlebenden Frauen in ihre alte Heimat zurück. Anna Frischmannová „fast taub, ohne Haar. Das Gewicht 37 kg“. Kamila keine 20 Jahre alt, wog bei ihrer Rückkehr aus der Gefangenschaft nur noch 33 kg. Die meisten Mitglieder ihrer einst großen Familie hatten die Verfolgung durch die Nationalsozialisten nicht überlebt.

Zum 45. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager im Mai 1990 reiste sie mit einer Gruppe anderer Überlebender aus Tschechien nach Hamburg und besuchte auch die Gedenkstätte in Neugraben. Im Anschluss engagierte sie sich mit für die Verlegung eines Stolpersteines im Namen ihrer Schwester Ruth am Falkenbergsweg 62 in Hamburg. Für die Verlegung 2011 reisten dann ihre Tochter und ihre zwei Enkelkinder nach Hamburg. 

Für sie selbst war schon damals die emotionale Belastung, an diese Orte zurückzukehren, ein zu hohes Gesundheitsrisiko. Doch aus ihrer Korrespondenz sprach stets eine sehr kluge dankbare Frau, für die das Schicksal ihrer Familie, und besonders das ihrer Schwester, stets mehr im Fokus stand als ihre eigene Leidensgeschichte.

Nach gesundheitlichen Problemen kam Kamila Sieglová am 25. Mai 2022 ins Krankenhaus, wo sie friedlich im Kreise ihrer Familie verstarb. Unser Beileid gilt ihren Angehörigen und Freunden.

(Zitate aus einem Brief von Kamila Sieglová an die Initiative Gedenken in Harburg, 2011)

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