20.09.2021 Veranstaltung

Ich hatte einst ein schönes Vaterland – Bericht von einem Literarischen Kammermusikmatinée

Das Konzert am 19. September 2021, das an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland erinnerte, war eine Zusammenarbeit zwischen dem Schauspieler Roman Knižka, bekannt durch seine Auftritte in verschiedenen Fernsehspielen, Filmen und Hörbucherzählungen, und dem Bläserquintett OPUS 45, dessen Musiker*innen in einer Reihe von renommierten Ensembles in ganz Deutschland spielen. Unter dem Titel "Ich hatte einst ein schönes Vaterland" kamen diese Künstler zusammen, um in den ehemaligen Walther-Werken in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme ein thematisches "literarisches Kammermusik-Matinée" anzubieten.

Die Veranstaltung wurde mit einem Klarinettensolo eröffnet, bevor Roman Knižka auftrat und die erste Lesung begann. Diese Reihung bildete den Rahmen für den Rest der Aufführung, wobei die Übergänge zwischen Lesung und Musik durchgehend nahtlos waren. Darüber hinaus wurden Musik und Lesungen sorgfältig ausgewählt: Zu Beginn des Konzerts erfuhren die Zuhörer*innen etwas über das Leben des bekannten jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn, bevor sie im weiteren Verlauf der ersten Konzerthälfte Musik von dessen Enkel Felix Mendelssohn-Bartholdy zu hören bekamen.

Die Lesungen folgten einer groben chronologischen Reihenfolge, wobei die erste Hälfte vor allem dem 18. und 19. Jahrhundert gewidmet war und die letzte Lesung vor der Pause von Richard Wagner stammte. Wagners Verbindungen zum Nationalsozialismus sind bekannt und zeigen, dass Kunst und Kultur nicht vor den Schrecken des Antisemitismus gefeit waren und sind. Es folgten fünf Tänze von Denès Agay, der Deutschland nach dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Richtung Vereinigte Staaten verließ.

Die zweite Hälfte des Matinées war von großen Emotionen geprägt, wobei die Verlesung des letzten Briefes eines Soldaten an seine Eltern besonders hervorzuheben ist. In der Folge wurden Themen rund um den Zweiten Weltkrieg aufgegriffen. Else Dormitzers Gedicht "Transport" und Anita Lasker-Wallfischs Erinnerungen als Cellistin von Auschwitz waren bewegend und wurden gefolgt von Musik des ungarisch-österreichischen Komponisten György Ligeti, dessen Eltern nach Auschwitz deportiert wurden. Man konnte nicht umhin, den Ort des Konzerts zu bemerken, als diese Passagen verlesen wurden, was die Wirkung auf alle Anwesenden nur noch verstärkte.

In der zweiten Hälfte kam es zu einer noch engeren Interaktion zwischen den Musiker*innen von OPUS 45 und Herrn Knižka. Bei mehreren Stücken wurde ein Voice-over eingesetzt, so dass sich Lesung und Musik in einer Weise ergänzen konnten, wie es in der ersten Hälfte nicht der Fall war. Dies war ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr das Konzert Musik und Lesungen zu integrieren vermochte. An einer Stelle war Knižka sogar dabei zu beobachten, wie er die Musiker mit großer Wirkung "ausschaltete".

Mascha Kalékos "Emigrantenmonolog" erinnerte an den Titel des Konzerts („Ich hatte einst ein schönes Vaterland“) und an das gleichnamige Gedicht von Heinrich Heine, das in der ersten Hälfte vorgelesen worden war. Dieser rote Faden trug dazu bei, das Konzert zusammenzuhalten, und verlieh dem Geschehen auf subtile und nicht übertriebene Weise einen echten Sinn für Kohärenz.

Die letzte Lesung stammte aus dem 2018 erschienenen Buch "Desintegriert Euch!" des zeitgenössischen Lyrikers Max Czollek, das sich auf nachdenklich stimmende Weise mit der modernen jüdischen Identität in Deutschland auseinandersetzte, bevor das letzte Musikstück des französischen Komponisten Jaques Ibert erklang, dessen Musik während des Krieges vom Vichy-Regime verboten worden war.

Das Konzert endete mit lang anhaltendem Applaus und einer Standing Ovation des Publikums. Alles in allem war es ein anspruchsvolles Konzert, dem es gelang, das gesprochene Wort und die Musik eng miteinander zu verweben, um eine bewegende und einfühlsame Hommage an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zu präsentieren, die sich nicht scheute, schwierige und beunruhigende Themen anzusprechen. Knižka und die Musiker ergänzten sich gut, und das Programm, das etwa zwei Stunden mit einer Pause dauerte, fesselte das Publikum von Anfang bis Ende.

Bericht von Daniel Cartwright