17.09.2015 Gedenkveranstaltung, Konferenz

Geteiltes Gedächtnis. Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit im Europa des 21. Jahrhunderts

Internationales Forum NS-Zwangsarbeit, Hamburg März 2016. Call for papers

Die internationale Tagung „Geteiltes Gedächtnis. Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit im Europa des 21. Jahrhunderts“/„Divided Memory: Remembering Nazi Forced Labour in Twenty-First-Century Europe“ ist Teil des Programms „Zwangsarbeit und Vergessene Opfer“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Sie wird durchgeführt von der Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus, Prof. Dr. Michael Wildt in Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, dem Museum der Arbeit und der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.

Die dreitägige Veranstaltung, die vom 9.-11. März 2016 im Hamburger Museum der Arbeit stattfindet, ist als internationales Forum zum Thema „NS-Zwangsarbeit“ konzipiert mit partizipativen Formaten wie Workshops, Exkursionen, Seminaren und öffentlichen Veranstaltungen. Sie bildet den Auftakt für eine Reihe von weiteren internationalen Tagungen, die Forschende, besonders Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler verschiedener europäischer Länder zusammenbringen möchte mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus dem universitären und musealen Bereich sowie aus anderen Organisationen.

Wie kaum ein anderes Forschungsthema ist die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in den letzten Jahren in den wissenschaftlichen und erinnerungsgeschichtlichen Fokus gerückt. Der Umgang mit der Zwangsarbeitserfahrung in der Erinnerungsgeschichte der Länder West- und Osteuropas reicht von Anerkennung über Verschweigen bis hin zum Kollaborationsverdacht. Auf der Tagung sollen daher die Erinnerungsperspektiven in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit, auch nationalen Begrenztheit, wahrgenommen werden. Es soll aber auch auf die verschiedenen Formen der Zwangsarbeit und verschiedenen Gruppen von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen eingegangen werden.

Gleichwohl – und das ist ein zentrales Anliegen des Internationalen Forums – bieten sich Anknüpfungspunkte, um kollektive Erfahrungen der Zwangsarbeit jenseits nationalstaatlicher Perspektiven in einem europäischen Erfahrungsraum neu zu überdenken. Die NS-Zwangsarbeit, die ein deutsches Verbrechen von europäischer Tragweite war, kann als „geteilter europäischer Erinnerungsort“ (Étienne François) bezeichnet werden, gewissermaßen als Knotenpunkt verschiedener kollektiver Erfahrungen einer gemeinsam geteilten Geschichte. Hinsichtlich der daraus resultierenden vielfältigen und oft auch divergenten Deutungen der gemeinsamen Vergangenheit steht aber nicht so sehr das Trennende, als vielmehr das Verbindende der Konflikte im Vordergrund. Denkt man etwa an das Ende der Ära der Zeitzeugenschaft von NS-Zwangsarbeit, so ist unmittelbar einsichtig, dass heute, mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, alle Forschenden, Institutionen, Archive, Verbände usw. vor dem Problem stehen, dass in naher Zukunft keine Erlebnisgeneration mehr da sein wird, die face to face über ihre Zwangsarbeitserfahrungen berichten kann. Ihre Erinnerungen können dann ausschließlich medial vermittelt werden – sofern diese aufgezeichnet worden sind. In einer Zeit, in der Massenmedien der primäre Erfahrungshorizont für historisches Wissen sind, sollte erörtert werden, welche Bedeutung videographierte Interviews und Oral-History-Sammlungen, aber auch Fotografie für die Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit im Europa des 21. Jahrhunderts haben. Das Internationale Forum möchte mit Vorträgen und Workshops dazu beitragen.

Weiterhin rückt die Tagung den Begriff „Erinnerungsorte“ (lieux de mémoire) im Verständnis Pierre Noras in den Fokus, um vielfältige Bezüge von Erinnerung und Raum herstellen zu können. Denn Erinnerungsorte sind nicht allein eine Metapher für historische Ereignisse, Personen usw., sondern sie sind auch reale Orte, wie Gedenkstätten an Orten ehemaliger Konzentrations- und Zwangsarbeitslager oder virtuelle Orte, wie das Internet. Ein Augenmerk wird die Tagung deshalb auf diese räumliche Dimension von Erinnerung richten.

Um „das Europäische“ der Erinnerungen wird heftig gestritten wie etwa das in Brüssel geplante „Haus der Europäischen Geschichte“ zeigt. Ist eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur im Entstehen oder ist sie letztlich ein wirkungsmächtiges Konstrukt, das politisch instrumentalisiert wird? Wer gehört dazu oder wer wird ausgeschlossen? Die Tagung möchte daher auch nach den Institutionen fragen, die als transnationale „Träger“ von europäischer Erinnerung angesehen werden können.

Forschende, vornehmlich aus den Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie Museumsexperten und -expertinnen und Multiplikatoren aus der historisch-politischen Bildungsarbeit, sind eingeladen, Beiträge einzureichen, die eine oder mehrere der Leitfragen berücksichtigen:

  1. Welche Bedeutung hat das Erinnern an die NS-Zwangsarbeit im Europa des 21. Jahrhunderts?
  2. Wie unterschiedlich und vielfältig wird im europäischen Erfahrungsraum an die NS-Zwangsarbeit erinnert?
  3. Kann man vom Entstehen einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur sprechen oder ist europäische Erinnerung letztlich ein wirkungsmächtiges Konstrukt, das instrumentalisiert wird?

Zu folgenden Aspekten bitten wir um Vorschläge:

  • Beiträge, die die europäische bzw. transnationale Perspektive zum Thema NS-Zwangsarbeit berücksichtigen;
  • Beiträge, die den Einfluss der Entschädigungsdebatte auf die Zwangsarbeitserinnerungen untersuchen;
  • Beiträge zur Bedeutung von Oral-History-Sammlungen und/oder Fotografien für das Erinnern an die NS-Zwangsarbeit;
  • Beiträge zu europäischen Erinnerungsorten an NS-Zwangsarbeit, z.B. Gedenkstätten, Ausstellungen, historische Daten;
  • Beiträge zum Web als virtueller Raum zum Erinnern an Zwangsarbeitserfahrungen;
  • Beiträge, die untersuchen, welche Rolle die NS-Zwangsarbeit in den Konzepten europäischer bzw. transnationaler Museen spielen.

Die Themenvorschläge können auf Deutsch oder Englisch eingereicht werden und sollten max. 500 Wörter umfassen. Bitte senden Sie das Abstrakt zusammen mit einem kurzen Lebenslauf als PDF-Attachment an Frau Dr. Simone Erpel (simone.erpel@geschichte.hu-berlin.de).

Der Einsendeschluss für die Vorschläge ist der 31.10.2015.

Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Erwünscht sind sowohl Vorschläge für Vorträge (max. 30 Min.) als auch Vorschläge für Workshops (1 ½ - 2 Std). Wir möchten besonders Forschende und Museumsfachleute aus Osteuropa einladen, ihre Ideen einzureichen.

Reise- und Unterkunftskosten können für die Vortragenden auf Anfrage übernommen werden.

Kontakt und Information

Dr. Simone Erpel
Internationales Forum "NS-Zwangsarbeit"
am Lehrstuhl Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus
Humboldt Universität zu Berlin
Unter den Linden 6
10099 Berlin