15.01.2019 Bericht
Ich bin Antanina Chumakova aus Belarus, Minsk. Im September 2018 habe ich mein Freiwilligenjahr an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und bei der Solidarische Hilfe im Alter in Hamburg dank der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) mit Unterstützung der Evangelisch-Lutherischen Kirche und von meinen Paten begonnen.
Zu dieser Idee, einen Freiwilligendienst zu machen, kam ich durch meine sehr ähnliche Tätigkeit in Minsk im Projekt Geschichtswerkstatt von Leonid Levin der Internationalen Bildungs-und Begegnungsstätte Johannes Rau. Interesse an der Geschichte und der deutschen Sprache hat bei mir die persönliche Lebensgeschichte meiner Großmutter geweckt, die in den Kriegsjahren zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurde.
Warum ich hier bin? Ich möchte mich während des Friedensdienstes in Projekten engagieren, die mit historischer Bildung, Erinnerungskultur und der NS-Geschichte verbunden sind. Ich möchte kennenlernen, wie die Gedenkstättenarbeit hier organisiert ist und meinen kleinen Beitrag bei der Weiterentwicklung dieser Arbeit leisten.
Vor meiner Ankunft in Hamburg nahm ich an einem ASF-Vorbereitungsseminar teil. Auf diesem Seminar habe ich die Freiwilligen aus anderen Ländern kennengelernt. Jeder hatte eine eigene Motivation und eigene Gründe ein Freiwilligenjahr zu machen, jeder hatte eigene Erwartungen und Hoffnungen. Wir kamen alle aus unterschiedlichen Ländern, geprägt von verschiedenen Ideologien, religiösen Strömungen, Ereignissen und Umbrüchen. Deswegen hat der Austausch zwischen uns für mich eine besondere Rolle gespielt und mich begeistert.
Die ersten Monate in Hamburg waren sehr spannend und gleichzeitig stressig, weil auf mich auf einmal sehr viel zukam. Ich habe die neuen Arbeitsstellen und neuen Kollegen kennengelernt und meine Tätigkeit als Freiwillige angefangen. Ich nahm an verschiedenen Führungen und Projekttagen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme teil, um mir die Geschichte des KZ Neuengamme näher zu bringen. Ich wusste, dass es aus Hamburg nach Minsk Deportationen gab und ich hatte Interesse, mehr darüber zu erfahren. Auf diesem Weg habe ich die Mitarbeiter des Projekts „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ kennengelernt, die mir über die Ausstellung am Hannoverschen Bahnhof erzählten, von dem die Deportationen im Herbst 1941 unter anderem nach Minsk stattgefunden haben. Sofort habe ich mich für diese Arbeit interessiert, weil ich aus einem der Orte kam, an dem die Hamburger Juden umgebracht wurden – und weil ich die Geschichte des Ortes (Vernichtungslager Malij Trostenez bei Minsk) gut kenne.
Eine meiner ersten Aufgaben war, die Auszüge aus einem Dokumentarfilm zu den Erinnerungskulturen des Zweiten Weltkrieges in Deutschland und Belarus in die deutsche Sprache zu übersetzen. Das war sehr spannend für mich, weil der Film sowohl in Hamburg als auch in Minsk gedreht war und deutliche Unterschiede zwischen beiden Erinnerungskulturen zeigte. Zwischendurch habe ich verschiedene Übersetzungen gemacht.
Zu meinem Bereich gehört auch Archivarbeit. Meine Hauptaufgabe ist im Briefwechsel mit ehemaligen sowjetischen Opfern des KZ-Lagers Neuengamme zu stehen, auf ihre Bitten zu reagieren, sie mit Hilfe des Freundeskreises der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu unterstützen und ihre Briefe zu archivieren. Dem Bedarf entsprechend habe ich in einem russischen Archiv des Ministeriums für Sicherheit nach bestimmten Namen recherchiert oder Verhörprotokolle der sowjetischen Gefangenen übersetzt.
Nach Möglichkeit habe ich auch dem Medienbereich geholfen, eine Besucherumfrage bis zum Ende dieses Jahres durchzuführen. Meine Aufgabe war es den Besuchern anzubieten, an der Umfrage teilzunehmen und dann diese Angaben in eine Übersichtstabelle zu übertragen. Das war eine interessante Erfahrung viele fremde Menschen anzusprechen und ihre Meinungen zu hören. Ich habe auch einen guten Eindruck bekommen, welche Leute aus welchen Ländern die Gedenkstätte besichtigen und was sie am meisten beeindruckt oder was ihnen nicht gefällt.
Aktiv unterstütze ich außerdem die Idee einer Bildungsreise der belarussischen Geschichtslehrer und Multiplikatoren zur KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die für den Herbst 2019 geplant ist. Ich helfe außerdem bei der Solidarischen Hilfe im Alter und habe einen Sprachkurs gemacht und einen Sprachtest abgelegt. Die Sprachkenntnisse sind sehr wichtig: je mehr man verstehen und sagen kann, desto interessanter und verantwortungsvoller wird die Arbeit.