18.01.2019 Ausstellung, Zeitzeugengespräch
Die Geschichte des Einsatzes von KZ-Häftlingen in Hamburg ist auch die Geschichte von Edith Kraus. Die 1929 geborene jüdische Tschechin kam über das Getto Theresienstadt und das KZ Auschwitz Birkenau 1944 nach Hamburg und musste in den Außenlagern Dessauer Ufer, Neugraben und Tiefstack Zwangsarbeit leisten. Zur Eröffnung der Ausstellung „Eine Stadt und ihr KZ“ im Hamburger Rathaus am 17. Januar sowie im Zeitzeugengespräch in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erzählt sie von ihren Erlebnissen.
„Die wichen uns aus, fast niemand sah uns an, die gingen vorbei und ignorierten uns.“ So schildert Edith Kraus im Gespräch ihre Erfahrungen mit der Hamburger Bevölkerung, für die der Einsatz wie auch das Leid der in der Stadt eingesetzten KZ-Häftlinge durchaus sichtbar war – oder gewesen wäre.
Kraus gehörte zu den über 5.000 männlichen und etwa 3.000 weiblichen Häftlingen, die für Hamburger Firmen und städtische Behörden in der Kriegswirtschaft arbeiten mussten. Untergebracht waren sie in 15 Außenlagern, die sich auf Hamburger Stadtgebiet befanden. Von ihnen starben mindestens etwa 2.000 durch die schwere Arbeit, unzureichende Versorgung oder Bombenangriffe.
An ihre Zeit als KZ-Häftling in den Hamburger Außenlagern hat Edith Kraus allerdings auch einzelne positive Erinnerungen: So steckte ihr ein junger und offenbar in sie verliebter Lehrling, der wie sie in einer Raffinerie arbeitete, sein Sandwich wie auch einen Ring zu. Ein Wort hatten die beiden nie miteinander gewechselt, den Ring verwahrt Kraus bis heute und hatte ihn auch bei der Ausstellungseröffnung dabei.
Edith Kraus kam in den letzten Kriegstagen in das KZ Bergen Belsen. Ihre Mutter kam dort nach der Befreiung ums Leben, ihr Vater und ihr Großvater waren bereits vorher an den menschenunwürdigen Bedingungen in den Lagern gestorben. Edith Kraus kehrte zunächst nach Tschechien zurück – „allein“.
1949 emigrierte sie mit ihrer Familie nach Israel und arbeitete dort als Lehrerin.
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung hatte auch die Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit in ihrer Rede betont, dass „dieses Nichts-Gewusst-Haben“ eine große Lebenslüge vieler Menschen sei – „und es ist wohl die Keimzelle dafür, dass bei uns wieder Fremdenfeindlichkeit, Hass auf Andere und auch eine perfide Selbstüberhöhung Raum greifen.“
In Anlehnung an solche aktuelle rechtsgerichtete Tendenzen in der Gesellschaft appellierte auch Edith Kraus daran „Alles zu tun, um gegen den Hass zu kämpfen.“ Sie ergänzte: „Erinnert euch, was geschehen kann, was passiert ist wegen Hass.“
Die Ausstellung „Eine Stadt ihr ihr KZ. Häftlinge des KZ Neuengamme im Hamburger Kriegsalltag 1943-1945" ist noch bis zum 10. Februar 2019 im Hamburger Rathaus zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7 bis 19 Uhr, Samstag/Sonntag 10 bis 17 Uhr. Zudem gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, siehe Veranstaltungskalender oder Flyer
Rede von der Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft Carola Veit zur Ausstellungseröffnung: https://www.hamburgische-buergerschaft.de/reden/12068412/rede-eine-stadt-und-ihr-kz/
Rede von Kuratorin Alyn Beßmann zur Ausstellungseröffnung: Rede
Presseecho zur Ausstellungseröffnung:
Bericht von Julia Dziuba (Volontärin in der Behörde für Kultur und Medien Hamburg)