21.04.2017 Gedenkveranstaltung, Bericht

Erinnerung an die Kinder vom Bullenhuser Damm

Am 20. April 2017 folgten 250 Gäste, darunter Angehörige aus den USA, Belgien, England und Hamburg der Einladung der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm zur Gedenkfeier.

Die Geschichte vom Mord an 20 jüdischen Kindern in der ehemaligen Schule Bullenhuser Damm in Hamburg-Rothenburgsort vor 72 Jahren wird heute weltweit in vielen Holocaust-Museen und Büchern erzählt. Auch dieses Jahr kamen mit den Familien James, Zylberberg, Bucci und Mekler Angehörige der ermordeten Kinder, um an der Gedenkfeier teilzunehmen. Gleichzeitig waren erstmals zwei neue Objekte zu sehen, die an Walter Jungleib erinnern: Sein Briefmarkenalbum in der Ausstellung und die Erinnerungstafel im Rosengarten.

Ein Briefmarkenalbum und eine Erinnerungstafel

Walter Jungleib ist eines von 20 Kindern im Alter von 5 bis 12 Jahren, die von November 1944 bis April 1945 im Konzentrationslager Neuengamme für medizinische Experimente missbraucht wurden. Zur Vertuschung der Versuche wurden die 10 Mädchen und 10 Jungen kurz vor Kriegsende in die als KZ-Außenlager genutzte Schule am Bullenhuser Damm gebracht und im April 1945 in den dortigen Kellerräumen von der SS ermordet. Im vergangenen Jahr nahm Grete Hamburg das erste Mal an der Gedenkfeier statt. Sie hatte erst kurz zuvor erfahren, dass ihr Bruder Walter unter den Opfern am Bullenhuser Damm gewesen ist. Sie übergab der Gedenkstätte ein Briefmarkenalbum, welches Walter gehört hat. Dieses wird jetzt in der Gedenkstätte Bullenhuser Damm gezeigt. Damit wird das erste Mal ein Objekt ausgestellt, das einem der ermordeten Kinder gehört hat. Gleichzeitig wurde dieses Jahr die neue Gedenktafel für Walter Jungleib, die Grete Hamburg für ihren Bruder gestiftet hat, im Rosengarten eingeweiht. 

Die Gedenkstätte und die Gedenkfeier

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm existiert seit 1980. Gegründet wurde sie von dem Journalisten Günther Schwarberg, der das Verbrechen 1979 durch eine Artikelserie im Magazin STERN sowie mehreren Publikationen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. Durch aufwendige Recherche fand Schwarberg Angehörige der ermordeten Kinder und gründete die Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm. Die Vereinigung organisiert die jährliche Gedenkfeier am 20. April und hält den Kontakt zu den Angehörigen. Seit 1999 ist die Gedenkstätte eine Außenstelle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. 2011 wurde die Gedenkstätte umgebaut und eine neu konzipierte Ausstellung eröffnet.

Die Gedenkveranstaltung fand am 20. April  in der Turnhalle der ehemaligen Schule Bullenhuser Damm statt. Staatsrätin Jana Schiedek betonte in ihrem Grußwort die Relevanz von Gedenkstätten und Gedenkveranstaltungen: „Das Wissen um den Nationalsozialismus und seine unfassbaren Taten zeigt uns deutlich die Folgen von Rassismus, Antisemitismus, Terror und Unterdrückung. Gedenkstätten können das Bewusstsein dafür stärken, dass Menschenrechte und rechtsstaatliche Demokratie nicht selbstverständlich sind, sondern zivilisatorische Errungenschaften, die angenommen, gelebt und fortentwickelt werden müssen. Deshalb ist es immens wichtig, dass wir nicht aufhören, an das Schicksal der am Bullenhuser Damm ermordeten Kinder und Erwachsenen zu erinnern und ihrer zu gedenken.“

Nach dem Grußwort folgte eine Lesung des Schauspielers Rolf Becker, der den Artikel „Renn, Shifra, renn“ von Günther Schwarberg vorlas in Erinnerung an die kürzlich verstorbene Shifra Mor. Ihre Schwester Bluma Mekler ist eines der am Bullenhuser Damm ermordeten Kinder. Nicole Mattern, Vorsitzende der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm, berichtete in ihrer Rede von ihrem Besuch in Israel, wo Yitzhak Reichenbaum lebt, der Bruder des ermordeten Jungen Eduard Reichenbaum. Er konnte dieses Jahr nicht zur Gedenkfeier kommen. Auch sie betonte die Relevanz des Erinnerns für unser heutiges Leben. Außerdem stellte sie die neue zweisprachige Wanderausstellung der Vereinigung vor: Die mobile Ausstellung erzählt die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm, diskutiert Erinnerung und fragt, wo Diskriminierung anfängt. Sie richtet sich an junge Menschen und kann von Schulen ausgeliehen werden. An der Gedenkfeier nahmen auch Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Langenhorn statt. Sie berichteten von ihren persönlichen Eindrücken zum Gedenkort. Außerdem verlasen sie, gemeinsam mit Schülerinnen des Van Maerlantlyceum aus Eindhoven, die Namen der ermordeten Kinder. Musikalische begleitet wurde die Feier am Piano von Sven van Koetsveld. Landesrabbiner Shlomo Bistritzky sprach das Kaddish. Anschließend gingen viele Gäste in den Rosengarten, um an den Gedenktafeln Blumen für die Ermordeten niederzulegen.