08.04.2015 Veranstaltung

Ein Täter/eine Täterin in der Familie? Gesprächsseminar zu Familiengeschichte und Familiengeschichten

Am 11. und 12. April 2015 findet zum 13. Mal das Seminar „Ein Täter/eine Täterin in der Familie?“ in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme statt. In diesem Seminar tauschen sich die TeilnehmerInnen darüber aus, was es heißt, nationalsozialistische TäterInnen in der eigenen Familie zu haben. Sie beschäftigen sich unter anderem mit psychosozialen Folgen von Täterschaft für die Angehörigen, Formen der Begegnung von Täter- und Opfernachkommen, Gefühlen von Loyalität und Illoyalität gegenüber den eigenen Eltern oder Großeltern.

Diesmal wird der langjährige Seminarteilnehmer Hans-Jürgen Brennecke über seine Motivation berichten, die Aufseherin im KZ Bergen-Belsen, Hilde Michnia, anzuzeigen. Auf Grundlage dieser Anzeige ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen. Die Anzeige geht auf einen Dokumentarfilm über den Holocaust-Überlebenden Tomi Reichenthal zurück, in dem Hilde Michnia berichtet, wie sie an einem Todesmarsch als KZ-Aufseherin beteiligt war. 

2002 stieß Hans-Jürgen Brennecke auf zahlreiche Briefe seiner Eltern aus der Kriegszeit, die ihm eine bisher unbekannte Seite seines eigenen Vaters offenbarten: Dieser gehörte im Nationalsozialismus dem 101., 103. und 104. Polizei-Reserve-Bataillon an. Er war ein überzeugter Antisemit, glaubte fest an den „Endsieg“ und hielt bis zu seinem Tod an der NS-Ideologie fest. Darüber hinaus wusste er nicht nur von den Massenverbrechen der Ordnungspolizei in Osteuropa, sondern befürwortete diese ebenso wie seine eigene Beteiligung an Verhaftungen und Vernehmungen. Hans-Jürgen Brennecke engagiert sich in Lüneburg für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit und setzt sich mit seiner eigenen Familiengeschichte auseinander.

Das Seminar „Ein Täter in der Familie?“ findet halbjährlich statt, die nächsten Termine: 11.-12. April 2015 (ausgebucht); 10.-11. Oktober 2015. 

Der oben angesprochene Fall hat ein großes Medienecho ausgelöst. Links zu Berichten:

NDR

3Sat

Die Welt

Süddeutsche Zeitung

The Guardian