30.09.2021 Zeitzeugengespräch, Bericht

Die Schoah-Überlebende Helga Melmed besuchte Hamburg

Helga wuchs als einziges Kind ihrer Eltern Frieda und Georg Arndtheim auf. Die jüdische Familie lebte in Berlin. Als Helga 13 Jahre alt war, wurde die ganze Familie im Oktober 1941 mit dem ersten Transport von Berlin in das Ghetto Lodz/Litzmannstadt deportiert. Ihre Eltern wurden dort ermordet. Helga wurde 1943 nach Auschwitz deportiert. 1944 selektierte die SS sie und schickte sie zur Zwangsarbeit in verschiedene Außenlager des KZ Neuengamme in Hamburg (Veddel und Poppenbüttel/Sasel).

Kurz vor Kriegsende wurde sie in das KZ Bergen-Belsen überstellt und dort am 15. April 1945 befreit. Sie kam zur Erholung nach Schweden. Später emigrierte sie in die USA, wo sie als Krankenschwester arbeitete, heiratete und eine Familie gründete.

Mit zwei ihrer Kinder, David Melmed und Lisa Bean, hat Helga Melmed im September 2021 für ein paar Tage Hamburg besucht. Es war ihr wichtig, sowohl die KZ-Gedenkstätte Neuengamme als auch das Gebäude zu besuchen, in dem sie als Gefangene des Außenlagers Veddel am Dessauer Ufer im Hamburger Hafen untergebracht war. Letzteres wurde mit Unterstützung der Stiftung Lagerhaus G Heritage Foundation ermöglicht. Während dieses Besuchs hatten Schülerinnen des Gymnasiums Süderelbe die Möglichkeit, mit Helga Melmed zu sprechen und ein kleines Interview für ihr Schulprojekt zu filmen. Später stand auch ein Gespräch mit der Initiative Dessauer Ufer auf ihrem Hamburg-Programm.

Am 22. September fand in der Freien Akademie der Künste ein Mehrgenerationen-Gespräch mit der Überlebenden und ihrer Tochter Lisa Bean statt. Die Veranstaltung war ausgebucht und Menschen aller Altersgruppen und verschiedener Nationalitäten kamen, um zuzuhören. Das Gespräch war inhaltlich breit gefächert und umfasste Helgas Jugend in Berlin vor ihrer Deportation sowie ihre Zeit in den Konzentrationslagern Auschwitz, Neuengamme und Bergen-Belsen. Auch der Einfluss der Verfolgung auf die Familie bis heute kam zur Sprache. Im Anschluss waren die Zuhörer*innen eingeladen, Fragen zu stellen, was vor allem junge Menschen wahrnahmen. Helga Melmed beendete den Abend mit  Ratschlägen für alle Anwesenden sowie den bewegenden Worten, dass sie zwar verzeihen, aber niemals vergessen könne.

Am 24. September sprach sie schließlich vor Schüler*innen im Gymnasium Oberalster, eine Schule, die sich für die Erinnerung an das ehemalige Außenlager Sasel in Poppenbüttel engagiert. Der Besuch klang bei einem gemeinsamen feierlichen Abendessen mit der Familie, ehrenamtlich Engagierten aus dem Umfeld der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Kolleg*innen aus anderen historischen Einrichtungen und Mitarbeiter*innen der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte aus.

Wir sind sehr dankbar über den Besuch von Helga Melmed und ihrer Familie und sind beeindruckt von ihrer Kraft, Geduld und Freundlichkeit. Wir freuen uns sehr, dass die Familie in Pandemiezeiten den beschwerlichen Weg aus den USA nach Deutschland auf sich genommen hat und ihre Geschichte(n) mit uns und vielen jungen Hamburger*innen geteilt hat.

Weiterlesen:

Kurzes Grußvideo von Helga Melmed anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung (englisch)
Interview mit Helga Melmed, 1997 der Shoah Foundation (englisch)
Interview mit Helga Melmed, aufgenommen in Hamburg von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, 2015 (englisch) 
Artikel im Hamburger Abendblatt: Jüdin kehrt an Hamburgs Orte des Verbrechens zurück (Bezahlschranke)