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22.10.2025 Bericht

Der Tag „Türen auf mit der Maus“ an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Es ist in Deutschland immer noch etwas Ungewöhnliches, mit jüngeren Kindern über den Nationalsozialismus zu sprechen oder gar mit ihnen eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen. Der Tag für Familien mit Kindern ab acht Jahren in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bot daher ein besonderes pädagogisches Angebot.

Mit Kindern über den Nationalsozialismus sprechen

Oft haben Erwachsene Hemmungen das Thema offen mit ihnen zu besprechen, weil es sie selbst emotional fordert und sie unsicher sind, wie eine altersgerechte Auseinandersetzung gestaltet werden kann. Forschungsergebnisse der letzten 20 Jahre zeigen, dass es sinnvoll ist, jungen Lernenden bereits ab dem Grundschulalter einen Zugang zu diesem Kapitel der deutschen Geschichte zu ermöglichen. Kinder kommen zum Beispiel über Geschwister, ältere Freund*innen und zunehmend auch soziale Medien früh in Kontakt mit dem Thema, begegnen ihm mit sehr viel Neugier und stellen sich Fragen dazu. Dabei ist es wichtig, Kinder in diesem Lernprozess zu begleiten und sie nicht mit ihren Fragen, Gedanken und Gefühlen allein zu lassen.

Kommt denn auch die Maus?

Seit 2011 machen Veranstalter*innen in ganz Deutschland am Tag der Deutschen Einheit ihre „Türen auf mit der Maus“. Dabei werden unterschiedliche Aktivitäten organisiert, durch die Kinder Einblicke in ein breites Spektrum an Themenfeldern bekommen können. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme hat 2025 zum ersten Mal an dem Aktionstag teilgenommen und ein Programm für Kinder ab acht Jahren angeboten.

Das Team der Abteilung Bildung & Studienzentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme organisierte dafür niedrigschwellige Formate für eine Annäherung an das Thema und den Abbau von Berührungsängsten. Entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse und in ihrem eigenen Tempo konnten über 20 Kinder die Geschichte des KZ Neuengamme und der dort inhaftierten Menschen kennenlernen.

Besonders die Familienführung hat sowohl bei den Kindern als auch ihren erwachsenen Begleitpersonen Eindruck hinterlassen. Die Maus war zwar nicht persönlich in Hamburg, stattdessen wurden die Kinder aber von zwei Pädagoginnen begleitet. In zwei Gruppen besuchten sie ausgewählte Orte im ehemaligen Häftlingslager und in der Ausstellung „Zeitspuren“ und nahmen sich viel Zeit, um auf Fragen der Kinder einzugehen. Parallel wurden auch die Erwachsenen über das Gelände begleitet. In dieser Führung informierten die Pädagog*innen nicht nur über den Nationalsozialismus und das KZ Neuengamme, sondern auch über die Inhalte der Kinderführung und Tipps, wie mit Kindern über diese Themen gesprochen werden kann.

Darüber hinaus konnten Familien den ganzen Tag mit einer drei Routen umfassenden Rallye das Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Teile der Hauptausstellung erkunden. Am Nachmittag konnten die Kinder einer Lesung aus dem Kinderbuch „Die Geschichte von Bodri“ von Hédi Fried zuhören. Hédi Fried überlebte selbst mehrere Außenlager des KZ Neuengamme und erzählt in dem Buch aus Sicht des Familienhunds Bodri von ihrer Verfolgungsgeschichte gemeinsam mit ihrer Schwester Livia und ihren Eltern Im Anschluss der Lesung verarbeiteten die Kinder ihre Eindrücke des Tages bei einer Kreativaktion, bastelten „Erinnerungsblumen“ und gestalteten Lesekisten.

„Warum haben die Häftlinge sich nicht gewehrt?“

Der Tag war besonders geprägt von Fragen wie dieser und zeigte, wie die Kinder die Chance nutzten, dass an diesem Tag ihre Fragen und Gedanken zum Thema Verfolgung im Nationalsozialismus im Mittelpunkt standen.

„Die vielen Fragen, die uns die Kinder gestellt haben, zielten darauf ab, wirklich zu verstehen, wie dieses System funktionieren konnte. Der Maus-Tag hat uns darin bestätigt, dass wir mit kurzen und klaren Erklärungen ohne zu viele Details besonders gut mit jüngeren Lernenden arbeiten können. Die Kinder wollen gefordert, aber nicht überfordert werden. Deshalb haben wir auch bei Fragen, z.B. nach Vergasungen, sofort klargestellt, dass bestimmte Themen noch nicht für ihr Alter geeignet sind. Das haben die Kinder auch akzeptiert und sind zu anderen, für sie wichtigen Fragen übergegangen,“ sagt Swenja Granzow-Rauwald, zuständig für die Arbeit mit jüngeren Kindern in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Ein Bericht von Swenja Granzow-Rauwald, Jona Diwiak und Hannah Steiner

Schlagworte: Lesung (6)