28.05.2015 Gedenkveranstaltung, Projekt

Das Jugendprojekt zu den Gedenkfeierlichkeiten 2015 – ein Rückblick

Das Jugendprojekt der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bot acht Hamburger SchülerInnen die Möglichkeit, sich im Kontext der Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag von Kriegsende und Befreiung der Konzentrationslager im Mai 2015 intensiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des KZ Neuengamme zu beschäftigen. Die Ausschreibung war an Hamburger Gymnasien und Stadtteilschulen gesendet worden mit der Einladung an interessierte und engagierte SchülerInnen der Oberstufe, sich mit einem kurzen Motivationsschreiben zu bewerben. Das Projekt beinhaltete zwei Studientage zur Vorbereitung sowie die aktive Teilnahme an den Gedenkfeierlichkeiten in Neustadt und Hamburg (3. und 4. Mai) sowie am Forum „Zukunft der Erinnerung“ (5. und 6. Mai).

Zwei Teamerinnen betreuten die Jugendlichen und ermöglichten Raum für Nachfragen und Reflexion des Erlebten. Durch die Einbindung informeller Situationen – wie dem allabendlichen gemeinsamen Abendessen im Hotel – boten sich zahlreiche Möglichkeiten des Kennenlernens und Austausches der Jugendlichen mit den ZeitzeugInnen und ihren Familien sowie mit GedenkstättenmitarbeiterInnen.

Den Auftakt des Projektes bildeten zwei ganztägige Studientage in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Am 22. April 2015 erkundete die Gruppe nach einem ersten Kennenlernen das Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und besuchte die Ausstellungen mit einem besonderen Augenmerk auf Häftlingsbiografien. Zentral war darüber hinaus die Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte der Gedenkstätte und dem langen Weg vom KZ zu einem Ort des würdigen Gedenkens und der Bildung. In Kleingruppen recherchierten die Jugendlichen verschiedene Gedenkformen und Gedenkorte, anschließend diskutierten sie über die Begriffe Erinnern, Gedenken und Mahnen und über Formen des Erinnerns. Die Frage, welche Rolle Jugendliche in der Gedenkkultur spielen könnten, prägte die Diskussion um einen eigenen Beitrag für die Gedenkfeier am 4. Mai 2015. Der 23.April 2015 war der Ausarbeitung dieses Beitrages gewidmet. Nach einer freien, kreativen und assoziativen Sammlung von Vorschlägen, wie ein solcher Beitrag aussehen könne, entschieden sie sich für eine Rede, die sie gemeinsam formulierten; anschließend entwickelten sie einen choreografischen Ablauf für die Präsentation.

Am 3. Mai, dem Jahrestag der Bombardierung der KZ-Schiffe Cap Arcona und Thielbek, fanden in der Neustädter Bucht Gedenkfeierlichkeiten statt. Nach der gemeinsamen Anreise von etwa 450 Gästen mit Reisebussen fuhren die Jugendlichen mit mehreren Booten gemeinsam mit Überlebenden und ihren Angehörige sowie mit BetreuerInnen und MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu den Untergangsstellen. Bei der anschließenden zentralen Gedenkveranstaltung beim Cap-Arcona-Ehrenmal in Neustadt-Pelzerhaken mit mehr als 800 Personen unterstützen die Jugendlichen die Organisation aktiv durch das Verteilen von Übersetzungen der Reden und die Betreuung einzelner Überlebender. Zwischen den Veranstaltungen, im Bus und auch im Hotel beim Abendessen nutzen sie die Chance, mit Überlebenden und ihren Angehörigen ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und einander im informelleren Rahmen kennenzulernen.

Am Morgen des 4. Mai 2015 fanden in der KZ-Gedenkstätte mehrere ZeitzeugInnengespräche statt, auf die die SchülerInnen sich aufteilten. Die anschließend stattfindende zentrale Gedenkveranstaltung Hamburgs zum 70. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager im ehemaligen Klinkerwerk mit über 1000 TeilnehmerInnen wurde von den Jugendlichen organisatorisch mit vorbereitet, durch ihre Rede aktiv mitgestaltet und um die Perspektive einer ganz jungen Generation bereichert. In ihrem Beitrag versprachen die SchülerInnen den Anwesenden in verschiedenen Sprachen, die Erinnerung zu bewahren und weiterzugeben. Nach der Kranzniederlegung am Mahnmal der Gedenkstätte begleiteten die Jugendlichen die ZeitzeugInnen zum Senatsempfang und tauschten sich mit ihnen über das Erlebte aus.

Der direkte und persönliche Kontakt mit den Überlebenden während der Gedenktage bot den Jugendlichen einen greifbaren Zugang zur Geschichte. Der unmittelbare und respektvolle Umgang  mit den ZeitzeugInnen schuf ein besonderes Vertrauensverhältnis, das den Jugendlichen Gelegenheit bot, auch persönliche Fragen an die Überlebenden zu stellen.

Am 5. und 6. Mai entwickelten Kinder, Enkel und Urenkel ehemaliger KZ-Häftlinge (darunter jüdischer Verfolgter, politisch Verfolgter und ehemaliger Zwangsarbeiter aus Osteuropa), die SchülerInnen aus Hamburg, MitarbeiterInnen von Gedenkstätten, Nachkommen von NS-TäterInnen und weitere Interessierte auf dem Forum „Zukunft der Erinnerung“ Strategien zur Gestaltung der Erinnerung an die NS-Verbrechen durch die nachfolgenden Generationen. In Workshops entstanden Impulse für zukünftige gemeinsame Projekte von Angehörigen ehemaliger KZ-Häftlinge, Jugendlichen und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Die Jugendlichen hatten die Chance, ihre Auseinandersetzung mit Geschichte und ihrer Weitergabe mit anderen auf einer Metaebene zu diskutieren. Waren die vorangegangenen Tage geprägt vom Kennenlernen gesellschaftlicher Gedenkpraxis erweiterte das Forum die Perspektive der Jugendlichen um die biografische und transgenerationale Ebene.

Zentraler Bestandteil des Jugendprojekts war der Austausch, das gegenseitige Erzählen sowie das gemeinsame Nachbesprechen und Reflektieren des Erlebten. Die Jugendlichen gestalteten dies selbstständig untereinander, aber auch gemeinsam mit den Teamerinnen.

In der Feedbackrunde und den Rückmeldungen machten die Jugendlichen deutlich, wie wichtig und bereichernd das Projekt und der Kontakt mit den Überlebenden für ihr eigenes Nachvollziehen der deutschen Geschichte waren.

Lotte Gehrken: „Die Zeit während des Schülerprojektes war eine sehr besondere Erfahrung für mich! […]. […] Es war sehr interessant für mich noch mehr Dinge über das ehemalige Konzentrationslager zu erfahren und dazu die Zeitzeugen zu hören, die die schrecklichen Ereignisse selber erlebt haben. Ich nehme mit, wie wichtig es ist, diese Geschichten weiterzugeben und daraus zu lernen. Denn so etwas darf nie wieder passieren! Gerade in einer Zeit, wo Toleranz immer weniger wird und der Rassismus immer mehr wird. Auch wurde mir deutlich, wie wichtig die Aufklärung für Jugendliche zum Thema Holocaust ist. […]. […] In Erinnerungen bleiben mir besonders die ganzen Menschen, die alle so nett und herzlich waren! […]. […] Auch haben die Zeitzeugen und deren Angehörige immer wieder erwähnt, wie toll sie es finden, dass Jugendliche sich für das Thema interessieren und sich engagieren. Das hat mich persönlich immer sehr gefreut, da man gemerkt hat, dass es von Herzen kam.“

Pauline Schweinebach: „[…] In Erinnerung geblieben sind mir zuletzt natürlich die zahlreichen Gespräche mit den Zeitzeugen und deren Angehörigen. Ich bin unglaublich dankbar, diese Chance bekommen zu haben und dadurch einen ganz neuen Zugang zur Zeit des Nationalsozialismus bekommen zu haben. Ich hoffe dass in Zukunft noch mehr Hamburger Jugendliche dies ermöglicht bekommen! […]“

 

Bericht von Wiebke Elias. Sie arbeitet als studentische Hilfskraft im Studienzentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und hat das Schülerprojekt mit betreut.