10.05.2020 Nachricht

Umfrage-Ergebnis

Ergebnisse einer Umfrage unter 100 Besucherinnen und Besuchern der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Ende 2019/Anfang 2020.

Nachdem die KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Jahr 2018 eine ausführliche Besucher*innenstudie durchgeführt hat (die Ergebnisse finden sich hier), haben wir nun mit den Umfragebögen aus dem Jahr 2017 erneut im Rahmen einer nicht-repräsentativen Umfrage evaluiert, welche Personen aus welchen Gründen die KZ-Gedenkstätte aufsuchen und was sie von ihrem Besuch mitnehmen. Ende 2019/Anfang 2020  hat eine der beiden aktuellen Freiwilligen der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, Anna Riaba, die Befragung mit 100 Personen durchgeführt und ausgewertet. Sie berichtet über ihre Erfahrungen:  

"Die meisten Personen, die ich befragt habe, haben die Gedenkstätte das erste Mal besucht. Mir ist aufgefallen, dass viele betroffen waren und es schwierig für sie war, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Ein Mann, der mit seinem Sohn die Gedenkstätte aufsuchte, antwortete auf meine Frage, woher er von der Gedenkstätte erfahren habe, dass sein Vater ihm schon in seiner Kindheit davon erzählt hatte – sein Vater hatte das KZ Neuengamme überlebt. In diesem Moment konnte ich mir kaum vorstellen, wie er sich gefühlt hat, nun tatsächlich an diesem Ort zu stehen. Wie schwierig muss es für ihn gewesen sein, mit dieser persönlichen, tragischen Verbindung.

Viele Besucherinnen und Besucher waren überrascht, wie viele neue Informationen ihnen zur Verfügung gestellt wurden und sie waren erstaunt über die Ereignisse, die sich an diesem Ort abgespielt haben. Nach dem Besuch der Hauptausstellung haben mir viele jüngere Leute erzählt, dass sie angeregt wurden, mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus zu lernen. Allerdings habe ich auch eine Person getroffen, die mir sagte, dass er nicht verstehe, warum solche Orte bestünden und dass niemand Gedenkstätten bräuchte. Diese Erfahrung hat mir gelehrt, dass es wichtig ist, vorbereitet zu sein, auf unterschiedliche Meinungen zu treffen.

Ich bin den Menschen, die ich getroffen habe, dankbar, dass sie mich ermutigt haben, deutsch zu sprechen, auch wenn ich mich noch unsicher fühlte. Außerdem war es eine Freude, so viele unterschiedliche Menschen aus vielen Ländern zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Einige der Besucherinnen und Besucher erzählten mir aus der Geschichte ihrer eigenen Länder, einige fragten mich nach meiner eigenen Sichtweise. Es war sehr anregend, über Geschichte zu sprechen, über die Gedenkstätte – und das in einer durchgehend freundlichen, dialogischen Atmosphäre."

Befragt wurden 100 Personen, die sich zur Hälfte als weiblich, zur Hälfte als männlich definierten. 63 der Personen kamen aus Deutschland. Für die Hälfte der Befragten war der Besuch das erste Aufsuchen einer KZ-Gedenkstätte. Wenn zuvor andere KZ-Gedenkstätten besucht wurden, waren dies zumeist die Gedenkstätten Auschwitz und Bergen-Belsen. 73 der 100 der Befragten haben kein Führungs-, App- oder Audioguide-Angebot genutzt, sondern sich dem Ort individuell genähert. Erfahren von der Gedenkstätte haben die meisten Befragten über mündliche Empfehlung (52). Der Grund des Besuchs war für die meisten Befragten das Interesse an Geschichte (80), 18 gaben an, das Gedenken an die Opfer sei der Hauptgrund des Besuchs, fünf sind als Angehörige persönlich betroffen. Die meisten Befragten kamen mit Freunden (26%), der Familie oder dem Ehepartner (jeweils 21%). 

Die Ergebnisse der Umfrage zeigten, dass ein Großteil der Befragten die Hauptausstellung besucht hatten (88%), aber auch der Service-Point am Haupteingang (73%) wurde benannt. Die meisten Befragten hatten keine Probleme, sich auf dem Gelände zu orientieren und fanden die Menge der gebotenen Informationen sehr gut. Die Qualität der Ausstellungen hat mit einer Bewertung zwischen gut und sehr gut im Vergleich etwas schlechter abgeschnitten. Gründe, die genannt wurden, waren "zu viel Text – zu wenig Zeit", zum Teil defekte Videostationen und v.a. das Fehlen vertiefender englischer Texte; besonders positiv hervorgehoben wurde, dass Einzelschicksale deutlich wurden. Beim Feedback, was besonders im Gedächtnis blieb, waren es bei den deutschsprachigen Befragten ebenso meist die Biografien, die Geschichten und Berichte des Überlebens, aber auch Orte wie "der Reichsbahnwaggon" oder das Klinkerwerk. Die auswärtigen Befragten erinnern sich v.a. an Orte, wie z.B. das Klinkerwerk und Stimmungen, wie z.B. die Größe oder Leere des Geländes oder die generelle Atmosphäre des Ortes.

Am Ende wurden die Umfrageteilnehmenden gefragt, ob sie ihren Besuch in drei Worten beschreiben könnten. Das Ergebnis ist eine Wortwolke: Je größer das Wort, umso öfter wurde es genannt. Sowohl die internationalen, als auch die deutschsprachigen Besucherinnen und Besucher wählten häufig die Worte informativ, interessant und bedrückend zur Beschreibung des Eindrucks.