18.09.2021 Nachricht
Presseerklärung des Verbandes der Gedenkstätten in Deutschland e.V. (VGDF) und der Arbeitsgemeinschaft KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland zur Bundestagswahl am 26. September 2021.
Die Bundestagswahl ist eine Richtungsentscheidung, die Auswirkungen auch auf die Arbeit der Gedenkstätten an Orten der NS-Verbrechen haben wird. 1998 legte die Bundesregierung erstmals eine Gedenkstättenkonzeption vor, mit der der Bund – ohne die Kulturhoheit der Länder anzutasten – seine Verantwortung für die Auseinandersetzung mit den Verbre-chen des Nationalsozialismus und für die Arbeit an Gedenkstätten mit nationaler Bedeutung anerkannte. Seither sind mit finanzieller Unterstützung des Bundes zahlreiche Gedenkstätten in Deutschland aufgebaut, neugestaltet und erweitert worden; etliche Einrichtungen, etwa die größeren KZ-Gedenkstätten, werden zudem dauerhaft institutionell vom Bund gefördert. Zusammen betreuen die Gedenkstätten jährlich mehrere Millionen Besucher:innen, viele davon im Rahmen innovativer und teils mehrtägiger Bildungsprojekte. Das seit 2020 an über 30 Orten umgesetzte und primär vom Bund finanzierte Projekt „Jugend erinnert“ ist hierbei besonders hervorzuheben.
Die aktuelle Verbreitung von antisemitischen Verschwörungslegenden und verharmlosenden NS-Vergleichen durch Pandemieleugner:innen sowie das Erstarken von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus, die Hetze von AfD und anderen extrem rechten Parteien gegen den angeblichen „Schuldkult“ machen deutlich, wie wichtig ein reflexives Geschichtsbewusstsein für unsere demokratische Kultur und Gesellschaftsordnung ist – erst recht in einer Zeit, in der es kaum noch Überlebende des NS-Terrors gibt, die warnend ihre Stimmen erheben können. Bedauerlicherweise findet die Erinnerungskultur in den Wahlprogrammen der Bundestagsparteien keinen angemessenen Niederschlag.* Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist aber grundlegend für unsere demokratische Selbstverständigung und muss es auch in Zukunft bleiben. Vor diesem Hintergrund hat der VGDF die kulturpolitischen Sprecher:innen der Bundestagsfraktionen um eine Stellungnahme zu zentralen Forderungen gebeten. Die Antworten sind veröffentlicht unter https://www.gedenkstaettenverband.de/neuigkeiten/wahlpruefsteine-bundestagswahl-2021/
Von der künftigen Bundesregierung erwarten wir eine weitere Stärkung der Gedenkstättenarbeit in den Aufgabenbereichen Bildung, Forschung, Sammlung und Erhaltung. Das setzt eine nachhaltige und über den status quo deutlich hinausgehende personelle und materielle Ausstattung voraus, die auch der zunehmenden Digitalisierung in der Gedenkstättenarbeit gerecht wird.
Konkret heißt das:
Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung ihrer Verantwortung für eine demokratische Geschichts- und Erinnerungskultur gerecht wird. Das gemeinsame Ziel muss es sein, die Opfer des NS-Terrors zu würdigen und ein reflexives Geschichtsbewusstsein sowie historisches Urteilsvermögen in der Gesellschaft zu stärken.
Stuttgart, 16. September 2021
Verabschiedet auf der 9. Bundesweiten Gedenkstättenkonferenz
Verband der Gedenkstätten in Deutschland e.V./FORUM
Arbeitsgemeinschaft KZ-Gedenkstätten
Pressekontakt: Kirsten John-Stucke
Der 2020 gegründete Verband der Gedenkstätten in Deutschland e.V. /FORUM (VGDF) ist die Dachorganisation von über 300 Gedenkstätten. Der VGDF umfasst die Landesarbeitsgemeinschaften der Gedenkstätten, Erinnerungsorte und -initiativen, die Arbeitsgemeinschaft KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland und das Gedenkstättenreferat der Topographie des Terrors. In der Arbeitsgemeinschaft KZ-Gedenkstätten haben sich die institutionell vom Bund geförderten Gedenkstätten Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Mittelbau-Dora, Neuengamme, Ravensbrück und Sachsenhausen zusammengeschlossen.
*„Wahlprogramme: Leerstelle Erinnern“, Jüdische Allgemeine, 20.08.2021