Zur Verlagerung besonders kriegswichtiger Produktion unter die Erde wurden in Porta Westfalica in den Jahren 1944 und 1945 drei Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme eingerichtet. Das erste von ihnen war das Lager in Barkhausen. 300 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald kamen als erstes Kommando am 18. März 1944 nach Barkhausen. Vom Bahnhof marschierten sie zum Gasthof „Kaiserhof“, dessen Festsaal von der SS beschlagnahmt worden war. Das Lager war zunächst für 500 Häftlinge geplant, im Verlauf seines Bestehens wurden aber bis zu 1500 Männer in vierstöckigen Betten auf Strohsäcken zusammengepfercht. Mehr als die Hälfte der Häftlinge stammte aus Polen und der Sowjetunion, bereits mit dem ersten Transport kamen aber auch französische, belgische, tschechoslowakische, niederländische und deutsche Häftlinge nach Barkhausen. Auch eine Gruppe von 200 Dänen wurde nach der Räumung des Sammellagers Frøslev über das KZ Neuengamme nach Barkhausen transportiert.
Die Häftlinge mussten ab dem Tag ihrer Ankunft auf der dem Lager gegenüberliegenden Weserseite einen ehemaligen Sandsteinstollen ausbauen, der für die Aufnahme eines Presswerks der Berliner Firma Ambi-Budd vorgesehen war. Die Häftlinge mussten zusätzliche Stollen von 5–6 Metern Breite anlegen, laut alliierten Berichten wurden insgesamt 60 000 m³ Gestein aus dem Berg herausgebrochen. An einigen Stellen wurden die Stollen zu großen Produktionshallen ausgebaut. Viele der unterernährten Gefangenen fanden bei diesen Arbeiten, die ohne ausreichende Schutz- und Arbeitskleidung ausgeführt werden mussten, den Tod oder waren nach kurzer Zeit so entkräftet, dass sie nach Neuengamme zurückgeschickt und durch neue Häftlinge ersetzt wurden.
Die große Luftoffensive der Alliierten gegen die deutsche Mineralölindustrie führte außerdem zur Verlagerung von Anlagen der Mineralölfirmen. Dazu musste das Stollensystem noch einmal erweitert werden. Der ursprünglich für Ambi-Budd vorgesehene Stollen sollte unter dem Tarnnamen „Dachs I“ von der Firma Deurag-Nerag zum Betrieb einer Raffinerie genutzt werden. Die Bauleitung für dieses Projekt lag bei der Friedrich Uhde KG aus Dortmund.
Ab Sommer 1944 wurden die Häftlinge beim Ausbau von weiteren Rüstungsverlagerungen unter die Erde eingesetzt. In verschiedenen Stollen an der Porta Westfalica sollten unter anderem die Firmen Philips und deren deutsche Tochterfirma Valvo (Radioröhren), Dr. Ing. Boehme (Kugellager), Rentrop (Bauteile für Lenkbomben), Veltrup (Panzerabwehrwaffen) und Weserhütte (Flak-Geschütze) Rüstungsgüter herstellen. Ein großer Teil der in den Produktionen eingesetzten Arbeiterinnen und Arbeiter waren KZ-Häftlinge oder Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Ende März 1945 wurden etwa 200 Häftlinge aus dem Außenlager A I in Lengerich nach Barkhausen verlegt. Am 1. April räumte die SS das Lager. In verschiedenen Transporten gelangten die Häftlinge über die Außenlager Schandelah, Fallersleben und Helmstedt-Beendorf in das Auffanglager Wöbbelin, wo sie Mitte April eintrafen. Am 2. Mai 1945 wurden sie dort von US-amerikanischen Truppen befreit.
SS-Standortleiter für die drei Außenlager an der Porta Westfalica war der SS-Obersturmführer Hermann Wicklein, Lagerführer in Barkhausen der SS-Rottenführer Hermann Nau. Während Nau für seine Taten in Porta Westfalica vom Tribunal Général in Rastatt zum Tode verurteilt wurde, ist Wicklein nie zur Verantwortung gezogen worden.
18. März 1944 bis 1. April 1945
1300–1500
Ausbau mehrerer unterirdischer Stollensysteme
Jägerstab, SS-Sonderinspektion I und Führungsstab A II (später B I), Deutsche Bergbau- und Hüttengesellschaft (DBHG), Friedrich Uhde KG, Ambi-Budd, Deurag-Nerag, Philips, Valvo, Dr. Ing. Boehme & Co., Rentrop GmbH, Veltrup KG, Weserhütte AG
Mahnmal Hausberge:
Kirchsiek, Ecke Hauptstraße
32457 Porta Westfalica
Neuer Friedhof Barkhausen:
Burkamp, Ecke Alte Poststraße
32457 Porta Westfalica
Kaiserhof Barkhausen:
Freiherr-vom-Stein-Straße 1
32457 Porta Westfalica
Ehem. Untertageverlagerung Dachs 1:
Hausberger Straße
32457 Porta Westfalica
Die Toten des Außenlagers wurden auf dem Friedhof in Barkhausen bestattet. In der Nachkriegszeit wurden viele von ihnen exhumiert und in ihre Heimatländer überführt. Ein Gedenkstein auf dem Friedhof trägt die Inschrift „Hier ruhen 73 unbekannte Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Es fehlt ein Hinweis, dass es sich dabei um ehemalige Häftlinge des KZ-Außenlagers Porta-Barkhausen handelt.
In den 1980er-Jahren gab es erste Anstrengungen von Wissenschaftlern, Schülergruppen und Initiativen, die Geschichte der Außenlager des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica aufzuarbeiten und öffentlich zugänglich zu machen. Auf der Basis ihrer Arbeit beschloss der Rat der Stadt Porta Westfalica nach langen Diskussionen die Erstellung eines Mahnmals am Grünen Markt in Hausberge, welches 1992 eingeweiht wurde.
Erst 2009 wurde der Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. von Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen gegründet, um die Geschichte des Nationalsozialismus und der Außenlager des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica aufzuarbeiten und langfristig eine Gedenkstätte aufzubauen. Die Stollenanlage im Jakobsberg, die ehemalige Untertageverlagerung Dachs 1, steht im Mittelpunkt der Gedenkstättenentwicklung. Sie ist in ihrem Erhaltungszustand einzigartig in Nordwestdeutschland. Aktuell kann die Anlage von April bis Juli im Rahmen von Führungen besichtigt werden, eine Voranmeldung über die Website der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte ist hierfür erforderlich. Oberirdische Rundgänge auf den 2014 eingeweihten „Wegen des Erinnerns, Gegen das Vergessen“ werden ebenfalls angeboten.
Der Festsaal des Hotels Kaiserhof wurde in den 1960er-Jahren abgerissen. Die heute an diesem Ort befindliche Reithalle wurde auf den Grundmauern des Saales errichtet. Der Kaiserhof selber ist 2011 bei einem Großbrand schwer beschädigt worden, das Anbringen von Erinnerungszeichen auf dem ehemaligen Lagergelände war bis heute nicht möglich. Eine erste Ausstellung soll 2023 in unmittelbarer Nähe des Kaiserhof-Geländes eröffnen. Teil der Ausstellung wird eine Vernetzung und Sichtbarmachung der verschiedenen Lagerstandorte im Stadtbild Porta Westfalicas durch dezentrale Ausstellungstafeln sein.
KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V.
Kempstraße 1
32457 Porta Westfalica
Email: info@gedenkstaette-porta.de
Homepage: www.gedenkstaette-porta.de