21.01.2022 Veranstaltung
Die für Januar 2022 geplante Ausstellung „Zwischen Zwangsfürsorge und KZ. Arme und unangepasste Menschen im nationalsozialistischen Hamburg“ musste pandemiebedingt leider verschoben werden. Sie wird zu einem späteren Zeitpunkt präsentiert. Nichtsdestotrotz bietet die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in den nächsten Wochen ein vielfältiges Programm an, mit dem Sie sich diesem Themengebiet individuell nähern können.
Hunderte Hamburger*innen wurden im Nationalsozialismus als „Asoziale“ stigmatisiert, ausgegrenzt und verfolgt. Die sozialrassistische Verfolgung betraf insbesondere in Armut lebende und gesellschaftlich unangepasste Menschen, deren Lebensweise sich nicht in die nationalsozialistische Volksgemeinschaft einfügte. Die Fürsorge unterschied den von ihr betreuten Personenkreis entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie in unverschuldet Hilfsbedürftige, die Anspruch auf Fürsorge- und Sozialleistungen hatten, sowie „unterwertige Elemente“, die die gesamte Härte des Verfolgungsapparats zu spüren bekamen. Betroffen waren u.a. Bettler:innen, Wander:innen, Erwerbslose, Alkohol- und Geschlechtskranke, Prostituierte sowie der Prostitution Verdächtigte. Ihnen drohten Entmündigung, Zwangssterilisation und Zwangseinweisung in die Wohlfahrtsanstalten.
In der Verfolgung dieses Personenkreises arbeiteten Fürsorgeeinrichtungen eng mit städtischen Institutionen, Ämtern und Behörden zusammen. Insbesondere die Polizei hatte seit dem „Grunderlass zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ vom Dezember 1937 weitreichende Kompetenzen: Sie konnte Personen, die angeblich durch „asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährdeten“, ohne Gerichtsverfahren und zeitlich unbegrenzt in sogenannte „Vorbeugehaft“ nehmen. Die Polizei wies in mehreren Verhaftungswellen reichsweit Zehntausende Menschen in die Konzentrationslager ein, in denen die Häftlinge mittels eines schwarzen Stoffwinkels auf ihrer Häftlingskleidung als „Asoziale“ markiert wurden. Wer oder was als „asoziales Verhalten“ zu gelten habe, oblag dabei der Entscheidungsgewalt der Polizei.
Für viele von der sozialrassistischen Verfolgung Betroffene war auch das Kriegsende keine wirkliche Zäsur. Zwar kamen die KZ-Häftlinge frei, doch blieb ihre Anerkennung als NS-Verfolgte aus. Anspruch auf Unterstützungsleistungen und Entschädigungen hatten sie nicht. Entmündigungen und Zwangseinweisungen hatten oftmals weiter Bestand. Es dauerte bis zum Januar 2020, ehe der Deutsche Bundestag auch die als „Asoziale“ Verfolgten offiziell als NS-Opfer anerkannte. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch nur noch wenige Betroffene am Leben.
Im Rahmen unseres Themenschwerpunkts wollen wir uns in verschiedenen Rundgängen und Veranstaltungen dieser Thematik nähern. Zur besseren Orientierung haben wir eine Übersicht der betreffenden Veranstaltungen bereitgestellt. Weitere Informationen und die Anmeldemöglichkeit finden Sie in unserem Veranstaltungskalender: https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/veranstaltungskalender/
Samstag, 22. Januar 2022, 14.00–16.00 Uhr
Historischer Stadtrundgang „Verfolgungsgrund: „asozial“
Treffpunkt: Besenbinderhof 41
Dienstag, 25. Januar 2022, 19.30–21.30 Uhr
Themenabend: Die Verfolgung angeblich „Asozialer“ und ihre Darstellung im Film
Ort: Mahnmal St. Nikolai, Willy-Brandt-Straße 60, 20457 Hamburg
Donnerstag, 27. Januar 2022, 18.00–19.00 Uhr
Vortrag/Livestream: Von der „Bewahranstalt“ zum Gedenk- und Lernort? Das ehemalige Versorgungsheim Farmsen
Ort: Bürgersaal Wandsbek, Am Alten Posthaus 4, 22041 Hamburg bzw. digital
Samstag, 29. Januar 2022, 14.00–16.00 Uhr
Themenrundgang: „Asoziale“ Häftlinge im KZ Neuengamme
Ort: KZ Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg 75, 21039 Hamburg
Sonntag, 30. Januar 2022, 11.00-13.00 Uhr
Film-Matinée und Gespräch: Freistaat MIttelpunkt
Ort: Abaton-Kino, Allende-Platz 3, 20146 Hamburg
Donnerstag, 3. Februar 2022, 19.00–21.00 Uhr
Vortrag: Hamburgs Staatliche Wohlfahrtsanstalten im Nationalsozialismus
Ort: Geschichtsort Stadthaus, Stadthausbrücke 6, 20355 Hamburg