12.08.2022 Bericht
Am 14. und 15. Juli 2022 fand in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück das erste #RememBarcamp statt – eine Tagung mit offenen Workshops, auf dem sich Mitarbeiter*innen an Gedenkstätten über digitale Themen austauschten.
Digitale Angebote und Methoden sind ein fester Bestandteil der Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit geworden: Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin konnte schon Erfahrungen mit online study camps sammeln, an denen junge Menschen aus Asien, Afrika und Europa teilnahmen. In der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und im Denkort Bunker Valentin in Bremen produzierten Schüler*innen Audiobeiträge, die anderen Gästen einen neuen Blick auf die Ausstellungen ermöglichen. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und die Gedenkstätte Bergen-Belsen veröffentlichen regelmäßig Videos auf TikTok, in denen sie im Kurzfilmformat über den Ort informieren und ins Gespräch mit jungen Leuten kommen. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie Gedenkstätten das ständig wachsende Angebot digitaler Vermittlung nutzen. Bislang fand in der Gedenkstättenlandschaft nur vereinzelt ein Austausch über Inhalte und Methoden statt.
In den Seminarräumen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück trafen sich Mitte Juli 34 Vertreter*innen von 15 Gedenkstätten aus ganz Deutschland, aus der Forschung und von weiteren Institutionen, um im Rahmen eines Barcamps zu diskutieren, wie die historischen Wissensspeicher dieser Orte den Menschen aller Altersgruppen zugänglich gemacht werden können. Wichtige Erkenntnisse waren zum Beispiel, dass vor dem Erinnern das Recht eines jeden Einzelnen steht, über die Vergangenheit Bescheid zu wissen. Professionalisierung kann auch der Feind der Partizipation sein, wenn es darum geht, die Ideen, Fragen und Kommentare der Besucher*innen in Gedenkstätten-Formate zu überführen. Darum ist die größte Herausforderung wahrscheinlich, das Gate-Keeping aufzugeben und das Moderieren zu erlernen.
Das Barcamp startete Freitagmittag und endete Samstagnachmittag. Es gab neben der Begrüßungs-, der Vorstellungs- und der Abschlussrunde jeweils zu Beginn Besprechungen im großen Plenum. Die Auseinandersetzung mit den spontan vorgeschlagenen und über Abstimmung festgelegten Themen der Sessions fanden in insgesamt neun Diskussionsrunden statt. Die Erfahrungen, die ausgetauscht wurden, waren von einer großen Bandbreite. So wurde beispielsweise darüber gesprochen, dass User Generated Content eine Möglichkeit ist, die Veröffentlichung als Form der Anerkennung bei Jugendlichen von Anfang an mitzudenken. Bei der Einbindung aktueller Ereignisse in der online-Kommunikation, wie dem Ukraine-Krieg, haben Gedenkstätten konkrete Bezüge zur Erinnerungskultur geschaffen, wie zum Beispiel den Beschuss der Gedenkstätte von Babyn Jar Anfang März 2022. In Bezug auf das Thema Inklusion konnten viele praktische Tipps ausgetauscht werden, insbesondere für die Zusammenstellung von Fokusgruppen, die die Entstehung von Social Media und anderen digitalen Inhalte von der Konzeptionsphase an begleiten sollten. Gerade den kleineren Gedenkstätten steht dafür oft nicht genug Personal zur Verfügung. Dabei ist es wichtig, die Prozesse nicht nur zu begleiten und die Ergebnisse nicht nur online zu veröffentlichen, sondern beides auch zu archivieren.
Eine weitere Erfahrung, die immer wieder angesprochen wurde, betraf den Vergleich digitaler und analoger Methoden der Öffentlichkeitsarbeit und die Vernetzung mit der Pädagogik. Analoge und digitale Methoden der Vermittlung können (und wollen) sich nicht gegenseitig ersetzen, man kann sie jedoch auch nicht losgelöst voneinander betrachten. Beispielsweise wirft die physische Reise an den Ort des Gedenkens Fragen auf, die durch Online-Angebote nicht entstehen können. Viele der Teilnehmer*innen des RememBarcamps haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass ihnen im Digitalen mehr Raum für inhaltliche Auseinandersetzungen zur Verfügung steht. Diesen zu nutzen und sich vor allem noch besser zu vernetzen, das sind die Aufgaben, auf die sich das große Abschlussplenum in Ravensbrück einigte. Im Juli 2023 wollen sie wieder zusammenkommen. Dieses Mal in der Gedenkstätte Dachau.
Dr. Markus Thulin, Gedenkstätte Brauweiler