28.09.2023 Nachricht

Heiner Schultz, der große Förderer der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, ist tot

Am 25. September 2023 ist Karl-Heinz Schultz im Alter von 89 Jahren zuhause im Kreise seiner Familie gestorben. Schon länger war es ihm nicht gut gegangen, nun war seine Kraft am Ende. Wir trauern um einen wunderbaren Menschen und guten Freund.

Karl-Heinz (Heiner) Schultz wohnte mit seiner Familie in Neugraben-Fischbek nahe des ehemaligen Neuengammer Frauen-Außenlagers Neugraben am Falkenbergsweg. Beruflich im Bezirk Harburg in der Jugendarbeit aktiv, engagierte er sich früh, unter anderem als Mitglied der Deputation der Kulturbehörde, für Belange der Erinnerungskultur. Nach einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Neuengamme im Jahr 1983 versuchte er, mehr über dieses Außenlager herauszufinden und dessen genauen Ort zu lokalisieren. Viele Informationen konnte ihm damals auch die Gedenkstätte nicht geben. So begann er, intensiv zu recherchieren und machte im Laufe der Zeit tatsächlich in Israel, den USA, Tschechien und weiteren Ländern insgesamt 47 Überlebende ausfindig, die ihm über das Lager Neugraben berichten konnten. Fortan bot er regelmäßig öffentliche Rundgänge zum Ort des ehemaligen Außenlagers Neugraben an, um so viele Menschen wie möglich über das Schicksal der dort inhaftierten Frauen aufzuklären.

Heiner Schultz wurde 1988 Gründungsmitglied des Freundeskreises KZ-Gedenkstätte Neuengamme und 1999 zum Vorsitzenden des Vereins gewählt. Engagiert und ausdauernd kämpfte er u.a. bei der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ)“ und der Hamburgischen Bürgerschaft um genügend finanzielle Mittel für die Etablierung eines Besuchsprogramms für ehemalige osteuropäische Zwangsarbeiter*innen. Eine erste Gruppe kam 2001 für eine Woche, viele weitere sollten folgen. Insgesamt mehr als 400 Menschen konnten bis 2013 im Rahmen des Besuchsprogramms nach Hamburg eingeladen und betreut werden. Die Wanderausstellung „Ich hätte nie geglaubt, noch einmal hierher zu kommen“, die im Januar 2014 im Hamburger Rathaus gezeigt wurde, dokumentierte das Besuchsprogramm.

Heiner engagierte sich zudem in der Arbeiterwohlfahrt, für den Trägerverein „Freizeitzentrum Fischbek“ und als Koordinator des „Gesprächskreises Moorburg“, um nur einige seiner Ehrenämter zu nennen.

Im März 2014 wurde er vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg für sein umfassendes ehrenamtliches Engagement mit der Medaille für treue Arbeit im Dienst des Volkes ausgezeichnet. In seiner Dankesrede betonte er, diese nehme er nicht allein für sich entgegen, sondern auch für alle diejenigen, die gemeinsam mit ihm zum Gelingen des Besuchsprogramms ehemaliger Zwangsarbeiter*innen beigetragen hatten.

Enge Freundschaften pflegten Heiner und seine Frau Karin zu vielen der weiblichen Überlebenden, die er im Rahmen der Recherchen zum Frauenaußenlager Neugraben kennengelernt hatte. Viele hielten jahrzehntelang. Immer, wenn Frauen aus Israel, Tschechien oder den USA nach Hamburg reisten, waren sie bei den Schultzens in Neugraben gern gesehene Gäste.

Für uns Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte Neuengamme war Heiner eine verlässliche Größe, man traf man ihn und Karin auf vielen Veranstaltungen, immer wieder waren beide auch in der Gedenkstätte zu Gast. Als sie älter und gebrechlicher wurden, kamen sie nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die weit entfernte Gedenkstätte, deshalb übernahm Heiners Enkelin Chris-Berit es, die beiden zu fahren, wohin immer sie wollten. Selbst nach Prag fuhr sie sie 2018, damit sie an der Beerdigung ihrer sehr engen Freundin und KZ-Überlebenden Prof. Dagmar Lieblová teilnehmen konnten. Denn Heiner durfte nicht mehr fliegen. 

Im Februar 2023 bat Heiner uns, nun die öffentlichen Rundgänge in Neugraben zu übernehmen, es werde ihm zu viel. So fuhren einige von uns nach Neugraben, um uns noch einmal von Heiner den Ort und dessen Geschichte erklären zu lassen.

Im Sommer 2023 durfte Heiner eine besondere Freude erleben. Karin und er wurden Urgroßeltern.

Nun müssen wir alle ohne Heiner auskommen. Wir sind sehr traurig und unsere Gedanken sind in dieser schweren Zeit bei seinen Liebsten.