11.10.2018 Bericht
Gestern übergab Daniel Fröhlich der KZ-Gedenkstätte Neuengamme offiziell die Effekten des ehemaligen KZ-Häftlings Ferdinand von Reichel als Schenkung. Der Geschichtslehrer aus Ilmenau hatte durch Zufall bei einem Besuch den Ehering und das aus dem Ersten Weltkrieg stammende Eiserne Kreuz seines Urgroßonkels in der Hauptausstellung der Gedenkstätte entdeckt.
Hinter den Objekten, die in der Dauerausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gezeigt werden, stehen ganz persönliche Geschichten – diese sind aber nicht immer bekannt. Die sogenannten Effekten sind Gegenstände, die Menschen bei ihrer Einlieferung ins Konzentrationslager abgenommen wurden: Taschenuhren, Fotos, Brillen. Außer dem Namen des Besitzers oder der Besitzerin ist häufig nicht mehr bekannt. Diese Effekten werden heute beim International Tracing Service (ITS) in Bad Arolsen verwahrt. Von dort sind einige der Effekten von der Gedenkstätte ausgeliehen worden. Sie werden in der Hauptausstellung gezeigt.
Durch Zufall entdeckte Daniel Fröhlich die Effekten seines Urgroßonkels Ferdinand von Reichel bei einem Besuch der Gedenkstätte, nachdem er vor drei Jahren im Haus des Gedenkens den Namen seines Verwandten wiederfand. Seitdem forscht der Lehrer in Archiven und alten Fotoalben zur Familiengeschichte. Eine Anfrage beim ITS ergab erste Auskünfte über den Urgroßonkel. Das Archiv und Dokumentationszentrum in Bad Arolsen hält mit über 30 Millionen Dokumenten Informationen zur Inhaftierung und Zwangsarbeit für ehemals Verfolgte wie deren Angehörige bereit. Zudem verwahrt das ITS etwa 3000 Effekten. Seit gut zwei Jahren wird mit der Kampagne Stolen Memory aktiv daran gearbeitet, die Gegenstände an die Familien der ehemaligen Besitzerinnen und Besitzer zurückzugeben. So sollten auch der Ehering und das Eiserne Kreuz in den Familienbesitz von Daniel Fröhlich zurückgehen.
Durch dessen Recherchen kann nun die Geschichte hinter den Objekten erzählt werden:
Friedrich Wilhelm Ferdinand von Reichel ist 1892 im ostpreußischen Maldeuten, Kreis Mohrungen (Königsberg) geboren und aufgewachsen. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat und bekam das Eiserne Verdienstkreuz verliehen. Sein kaufmännischer Beruf führte ihn später über Berlin und Hannover nach Hamburg, wo er im Stadtteil Winterhude mit seiner Ehefrau Charlotte lebte. Trotz evangelisch-lutherischer Taufe galt die Tochter jüdischer Eltern dem Nazi-Regime ebenfalls als „Jüdin“. 1943 wurde sie wegen regimekritischer Äußerungen in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht, später in das KZ Ravensbrück. Von dort verliert sich ihre Spur. Knapp ein Jahr nach seiner Frau wurde auch Ferdinand von Reichel im November 1944 verhaftet. Er wurde bei der Gestapo denunziert, er habe gegen das NS-Regime gewettert, der Krieg sei bereits verloren. Er wurde ins Konzentrationslager nach Neuengamme gebracht. Nur kurze Zeit später starb er dort am 26. Dezember 1944 an den Folgen einer entzündeten Armwunde.
Im Beisein von MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, des ITS und der lokalen Presse übergab Daniel Fröhlich die Effekten seines Urgroßonkels nun der KZ-Gedenkstätte Neuengamme als Schenkung. „Natürlich müssen die Objekte in der Gedenkstätte bleiben“, betonte der Pädagoge. Persönliche Dinge, die Menschen bei der Verhaftung bei sich hatten – so wie Ferdinand von Reichel seinen Ehering und seine militärische Auszeichnung – können Besucherinnen und Besuchern der Gedenkstätte dabei helfen, den Menschen hinter den Häftlingsnummern näher zu kommen.