07.05.2019 Gedenkveranstaltung

Bericht zu den Gedenkfeiern zum 74. Jahrestag der Befreiung

Zu den zentralen Hamburger Gedenkveranstaltungen zum 74. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme reisten neun Überlebende des KZ Neuengamme an: Nataliya Radchenko aus Belarus, Nahum Rotenberg aus Israel, Ksenija Olchova aus Russland, Livia Fränkel und Elisabeth Kischinowski Masur aus Schweden, Jewgenij Malychin, Anton Rudnew und Karl Pajuk aus der Ukraine und Margot Heuman aus den USA. Überlebenden-Verbände aus Belgien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Polen und Deutschland nahmen mit Delegationen an der Gedenkfeier statt. Außerdem durften wir zahlreiche Angehörige ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme begrüßen.

Die Veranstaltungen begannen am 30. April mit der gut besuchten Podiumsdiskussion „Das doppelte Erbe“ in der Körber-Stiftung. Die Historikerin Dr. Ekaterina Makhotina und die Nachkommen ehemaliger Verfolgter, Nicole Duijkers und Jörg Watzinger, diskutierten mit Dr. Oliver von Wrochem (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) über den gesellschaftlichen und familiengeschichtlichen Umgang mit Verfolgung, Kollaboration und Täterschaft in verschiedenen europäischen Ländern und über die Auswirkungen in den Familien der von Verfolgung Betroffenen. (Aufzeichnung: https://www.koerber-stiftung.de/mediathek/das-doppelte-erbe-1760)

Im Kontext der Gedenkveranstaltungen fand am 1. Mai abends eine von der Amicale Internationale KZ Neuengamme (AIN) angebotene Exkursion zum ehemaligen Außenlager des KZ Neuengamme Dessauer Ufer statt, bei der sich Interessierte über die historischen Ereignisse und die aktuellen Entwicklungen informieren konnten. Angehörige ehemals Verfolgter schlossen sich am gleichen Abend zur „Young AIN“ zusammen, die als Jugend-Komitee in der AIN als Plattform zur Vernetzung der Enkel- und Urenkelgeneration dient und sich für eine europäische Erinnerungskultur einsetzt. Zur Präsidentin würde Swenja Granzow-Rauwald (Arbeitsgemeinschaft Neuengamme) gewählt, zum Vizepräsidenten Tom Devos (NCPGR Meensel Kiezegem´44).

Am 1. und 2. Mai fand im Studienzentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme das 5. Forum „Zukunft der Erinnerung“ mit überwiegend internationalen Gästen statt. Thema dieses Jahr war die Rolle der Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter als Akteurinnen und Akteure innerhalb einer europäisch und international ausgerichteten Erinnerungskultur. An beiden Tagen diskutierten die Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer über die Auswirkungen der Verfolgungserfahrungen auf die Nachkommen von politisch Verfolgten, Juden, Sinti und Roma, Opfern der NS-„Euthanasie“ sowie als „asozial“ Verfolgten. Verschiedene Impulsreferate mit Beispielen aus den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stellten Projekte vor, in denen Nachkommen in die dialogische Bildungsarbeit eingebunden werden. An beiden Tagen wurden Workshops zu psycho-sozialen Auswirkungen auf die Folgegeneration angeboten, in der u.a. die Rolle der eigenen Biografie der Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer für das Engagement in der Erinnerungskultur reflektiert wurde. Auch wurde in vergleichenden Impulsreferaten der familiengeschichtliche und gesellschaftliche Umgang mit belasteten Vergangenheiten in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien und in Spanien vorgestellt. (Programm; Zusammenfassung)

Der zweite Tag endete mit einer öffentlichen Abendveranstaltung in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, auf der Livia Fränkel und Elisabeth Kischinowski Masur, die beide die Konzentrationslager Auschwitz und Außenlager des KZ Neuengamme überlebten, mit ihren Töchtern unter Moderation von Ulrike Jensen (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) über die Weitergabe von Erinnerung und Auswirkungen der Verfolgungserfahrungen auf die Familie sprachen. Am selben Tag nutzten Interessierte, darunter v.a. Jugendliche, die Chance, in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit den KZ-Überlebenden Margot Heuman, Natalija Radchenko und Karl Paiuk ins Gespräch zu kommen.

Der 3. Mai 2019 war geprägt von den Gedenkveranstaltungen. Am Morgen wurde am Cap-Arcona-Ehrenmal in Neustadt an die Opfer der Bombardierung der KZ-Schiffe am 3. Mai 1945 gedacht. Dr. Martine Letterie (Vizepräsidentin der AIN) und Mirko Spieckermann (Bürgermeister Neustadt) begrüßten die Gäste. Jewgenij Malychin aus der Ukraine, der den Untergang der Cap Arcona überlebte, kam mit seinem Enkel Alexander Levin nach Deutschland und wünschte sich in seiner Rede, dass „Gleichberechtigung und Brüderlichkeit zur Normalität des Lebens der jungen Generation werden.“ Nicole Duijkers, deren Großvater auf der „Cap Arcona“ starb, berichtete auf persönliche Art und Weise von ihrer Recherche zur Familiengeschichte.  Alle Redner betonten wie wichtig es ist, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Abschließend berichteten Schülerinnen und Schüler des Küstengymnasiums Neustadt aus dem Leben eines Überlebenden der Cap Arcona.

Auch an der internationalen Gedenkveranstaltung am späten Nachmittag in Neuengamme beteiligten sich Schülerinnen und Schüler. Die Klasse 12c der Ida Ehre Schule hatten unter dem Titel „Erinnerungen – was bleibt?“ einen Film mit einer Tochter (Yvonne Cossu-Alba), Enkelin (Martine Letterie) und Urenkelin (Franciska Henning) von ehemaligen KZ-Häftlinge gedreht. Nach der Begrüßung durch Dr. Detlef Garbe, der auch an die ehemaligen Häftlinge erinnerte, die im vergangenen Jahr verstorben waren, sprach Dr. Carsten Brosda (Senator der Behörde für Kultur und Medien Hamburg). Er rief dazu auf, den Dialog und die Debatte zu suchen und so auf demokratische Art und Weise Populistinnen und Populisten zu begegnen. „Wir erleben aktuell leider viel zu häufig, […] dass Sprache wieder zur Waffe wird und durch Verächtlichmachung Ausgrenzung ermöglichen soll.“ Alle Demokraten müssten sich couragiert solchen Tendenzen entgegen stellen. Helle Vibeke Sörensen (Präsidentin der dänischen Landforeningen af KZ-Fanger fra Neuengamme und Tochter eines ehemaligen Häftlings des KZ Neuengamme) berichtete aus ihren persönlichen Erinnerungen und sprach davon, wie wichtig es sei, zu erinnern. Karl Paiuk, Überlebender des KZ Neuengamme aus der Ukraine sagte in seiner abschließenden Rede: „Möget ihr dieses Elend nicht zulassen, welches ich und meine Kameraden erlitten haben“ und übergab der Gedenkstätte ein Gemälde, welches ein Schüler unter dem Eindruck eines Zeitzeugengespräch mit ihm gemalt und ihm geschenkt hatte. Der Neue Chor Hamburg e.V. begleitete die Veranstaltung als auch die abschließende Kranzniederlegung am ehemaligen Arrestbunker.

Einladung 

Programm Flyer 

Neuengamme

Programm und Reden (deutsch)

Program and speeches (english)

Programme de la cérémonie commémorative et discours (français)

Программа памятных мероприятий (русский)

Program uroczystości (polski) 

Neustadt

Reden (deutsch)

Speeches (english)

Discours (français)

Toespraak (nederlands)

Программа памятных мероприятий (русский)

Program uroczystości (polski) 

 

Kurzer Bericht über die Gedenkfeier in Neuengamme im Hamburg Journal: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/Hamburg-Journal,hamj80758.html (ab 4:50)

Bericht zur Gedenkfeier in Neustadt in der LN Online:

https://www.ln-online.de/Lokales/Ostholstein/Gedenken-an-gestorbene-KZ-Haeftlinge-an-Bord-der-Cap-Arcona-vor-Neustadt