- Thomas Lutz: Dialektik der Geschichtsdiskurse. Die Rückwirkung internationaler Debatten auf die Erinnerungskultur und die Gedenkstätten in Deutschland
- Cornelia Siebeck: "… und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung". Postnationalsozialistische Identitäts- und Gedenkstättendiskurse in der Bundesrepublik vor und nach 1990.
- Fabian Schwanzar: Gedenkstätten im Wandel? Erinnerungsakteurinnen und -akteure und staatliche Geschichtspolitik in den 1980er-Jahren
- Carola S. Rudnick: Die Etablierung der gesamtdeutschen staatlichen Gedenkstättenpolitik und das geschichtspolitisch umkämpfte Ende der Singularität der NS-Aufarbeitung
- Caroline Pearce: Der Umgang mit der "doppelten" Vergangenheit in deutschen Gedenkstätten seit 1990
- Detlef Garbe: Gedenkstätten in der Bundesrepublik: Eine geschichtspolitische Erfolgsgeschichte im Gegenwind
- Verena Haug: Erlebniserwartung und Erwartungsproduktion. Zur kommunikativen Herstellung des "authentischen Ortes" in gedenkstättenpädagogischen Veranstaltungen
- Corinna Tomberger: Symbolpolitische Orte und geschichtspolitische Akteurinnen: Die Doppelrolle der Gedenkstätten im Streit um das Gedenken an verfolgte Homosexuelle
Die nationalsozialistischen Verbrechen, vor allem in den im Zweiten Weltkrieg besetzten Ländern, sind von Deutschland ausgegangen. Zugleich war Europa historisch insgesamt betroffen. Hinsichtlich der Opfer ist dies offensichtlich. Doch auch die - sehr unterschiedliche - Beteiligung anderer Staaten und ausländischer Organisationen an den NS-Verbrechen hat diese Epoche zu einem Tiefpunkt der europäischen Geschichte werden lassen. In der Erinnerungskultur hat Deutschland als das Land, aus dem eine geringe Zahl der Opfer und eine sehr große Zahl der überwiegend männlichen Täter stammen, eine besondere Rolle. Die Entwicklung dieser Rolle war jedoch nicht nur national bestimmt. Sie hat immer in Beziehung zu den Debatten in anderen Ländern gestanden. Begonnen hat dies mit den Plänen der Alliierten für das Nachkriegsdeutschland. Der Umgang mit den Überlebenden, ihre Anerkennung und Entschädigung war in den betroffenen Nationen allerdings jeweils sehr spezifisch ausgeprägt und hat im Bezug zu Deutschland zu unterschiedlichen Forderungen und Verhaltensweisen geführt. Für die Entstehung von Denkmalen und Gedenkstätten in Deutschland waren insbesondere die ausländischen Forderungen nach Anerkennung des Schicksals der NS-Verfolgten über die Jahrzehnte hinweg ein wesentlicher Antrieb. In dem Aufsatz werden die Bemühungen in den beiden deutschen Staaten und im vereinten Deutschland, mit der Geschichte der NS-Verfolgung ins Reine zu kommen und den Menschen, die diese Verfolgung überlebt haben, Genüge zu tun, in ihrem dialektischen Bezug zu den erinnerungspolitischen Erwartungen anderer Staaten und der dort einflussreichen NS-Verfolgten dargestellt. Der Überblick reicht von der Befreiung von der NS-Herrschaft bis zu den heutigen international geführten Debatten.
The crimes of the Nazis, particularly in the countries occupied during World War II, originated in Germany. At the same time, they impacted Europe's history as a whole. This is obvious as regards the victims. But the (widely varying) participation of other states and foreign organisations in Nazi crimes also contributed to making this era a nadir in European history. Germany plays a special role within memorial culture: She produced a small number of victims and a very large number of the mostly male perpetrators. But this role did not evolve exclusively on a national level; it has always stood in relation to the debates in other countries. This started with the Allies' plans for post-war Germany. The way in which sur vivors were dealt with, recognised and compensated was very specific to each affected nation and led to different requirements and patterns of behaviour in relation to Germany. Over the dec ades, foreign demands for an acknowledgement of the fate of the Nazis' victims were an important driving force behind the creation of monuments and memorials in Germany. In this article, the efforts in the two German states and in unified Germany to come to terms with the history of Nazi persecution and do just ice to the people who survived this persecution are presented in their dialectic relationship with the expectations created by memorial cultures and influential victims of Nazi persecution in other countries. The article covers the period from the liberation all the way up to current international debates.
Mussten Gedenkstätten an die NS-Vergangenheit in der alten Bundesrepublik meist von Minderheiten gegen starke politische Widerstände erstritten werden, avancierten sie nach 1990 zum zentralen Bestandteil der nationalen Selbstdarstellung des vereinten Deutschland. Ein vornehmlich gesellschaftskritisch motiviertes und zivilgesellschaftlich getragenes Projekt wurde damit binnen weniger Jahre staatlich angeeignet und institutionalisiert. Um diesen markanten Einschnitt in der bundesrepublikanischen Gedächtniskultur nachzuvollziehen, werden im Beitrag realpolitische und diskursive Bedingungen rekonstruiert, die den öffentlichen Umgang mit NS-Vergangenheit und nationaler Identität seit 1949 geprägt haben. Insbesondere werden maßgebliche Strategien historischer Sinnbildung und deren identitätspolitische Implikationen herausgearbeitet. Dabei lässt sich zeigen, dass das traditionell eher gegenwartskritische Potenzial eines öffentlichen Gedächtnisses an die NS-Vergangenheit seit 1990 mithilfe einer neuartigen nationalen Läuterungserzählung entschärft wurde. Eine solche Erzählung wurde erstmals von Bundespräsident Richard von Weizsäcker ausbuchstabiert. Anhand des Motivs einer "Erlösung durch Erinnerung" entwickelte er in seiner berühmten Rede zum 8. Mai 1985 einen Modus historischer Sinnbildung, in dem ein öffentliches Gedächtnis an die NS-Vergangenheit und eine positive nationale Identität einander nicht mehr ausschließen, sondern sich vielmehr gegenseitig konstituieren sollten. Erst auf dieser Grundlage konnte im Zuge des Nation- Building nach 1990 eine staatlich institutionalisierte "Gedenkstättenlandschaft" entstehen, der ihre zivilgesellschaftliche Verankerung und ihr gesellschaftskritisches Potenzial allerdings verloren zu gehen droht.
While memorials to the victims of Nazism in the former West Germany were usually the prod uct of efforts by minorities who faced strong political resistance, they became a central component of the national self-portrayal of unified Germany after 1990. Within just a few years, a project that had been primarily motiv ated by social criticism and supported by civil society was appropriated by the state and institutionalised. In order to understand this striking rupture in Germany's memorial culture, this article aims to reconstruct the concret political and discursive conditions that have shaped the public approaches to Germany's Nazi past and national identity since 1949. In particular, the article explores key strategies in the construction of historical meaning and their implications for identity politics. What is revealed is that the potential for social criticism inherent in the public remembrance of Germany's Nazi past was attentuated after 1990 with the help of a new kind of national cathartic narrative. This narrative was first spelled out by German Federal President Richard von Weizsäcker. Employing the motif of "redemption through remembrance" in his famous speech of 8 May 1985, he developed a mode of constructing historical meaning in which public remembrance of Nazism and a positive nation al identity were no longer mutually exclusive, but instead mutually constitutive. This was the foundation upon which a nationally institu tionalised "memorial landscape" could arise in the course of nationbuilding after 1990, al though it is in danger of losing its mooring in civil society and its potential for social criticism.
In den 1980er-Jahren entstanden in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Gedenkstätteninitiativen und Gedenkstätten, die einen Beitrag zur Pädagogisierung und Politisierung der Erinnerung an die NS-Verbrechen leisteten. Die überwiegende Mehrheit der Akteurinnen und Akteure und der beteiligten Gruppen gehörten dem linken Milieu an. Sie sahen in der Erinnerungsarbeit eine Form der Gesellschafts- und Staatskritik. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen legitimierten die Gedenkstättenarbeit, sollte durch diese doch die Erfahrung der "vergessenen Opfer" in das "kulturelle Gedächtnis " implementiert werden. Der Artikel untersucht die Entwicklung der personellen Struktur der Gedenkstätteninitiativen und frühen Gedenkstätten und fragt nach der Haltung der öffentlichen Verwaltungen gegenüber Initiativen und Gedenkstätten und nach den gedenkstättenbezogenen geschichtspolitischen Bestrebungen auf Bundes- und Landesebene.
In the 1980s numerous memorials and initiatives evolved which contributed to the educationalisation and politicisation of remembering the Nazi era. The majority of the stakeholders and groups arose from the alternative left-wing scene, and they viewed work on memory cultures as a way of criticising the state. The witnesses legitimised the memorials, which were to include their experiences in commemoration. This article examines the development of the staff structure and the role of administration and the politics of history with regard to the concentration camp Memorials.
Es ist es ein "Streich" der Geschichte, dass die ostdeutschen Initiativen zur Aufarbeitung der SBZ/DDR-Verbrechen und die mit dem Nimbus des "Antifaschismus" umgebenen ehemaligen Mahn- und Gedenkstätten der DDR politischen Handlungsdruck aufbauend etwas erreichten, was den westdeutschen, zivilgesellschaftlich ambitionierten Bürger-, Friedensund Geschichtsinitiativen der späten 1970erund der 1980er-Jahre sowie den international organisierten Opfern nationalsozialistischer Verbrechen über Jahrzehnte nicht gelang: die Etablierung einer bundespolitisch fest verankerten Gedenkstättenpolitik in Form der Förderung und Sicherstellung einer pluralistischen, bürgerschaftlichen "Gedenkstättenlandschaft". Gleichzeitig büßten die Forschung zum Nationalsozialismus und das Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen jedoch ihre Singularität ein, da auch den Opfern der Verbrechen in der SBZ und der DDR ein Ort im kollektiven Gedächtnis eingeräumt wurde. Als die Mauer fiel, wurden auch Erinnerungsparadigmen infrage gestellt - nicht ohne Debatten, Deutungs- und Verteilungskämpfe, die bis heute anhalten. Die beiden Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" (1992) und "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit" (1995) waren Schauplätze dieser geschichtspolitischen Auseinandersetzungen um Diktaturenvergleiche und um die Behandlung verschiedener Opfergruppen. Die Ergebnisse der Enquete-Kommissionen veränderten die Rahmenbedingungen für die "Gedenkstättenlandschaft " nachhaltig und etablierten als Novum eine gesamtdeutsche Gedenkstättenpolitik. Die in den Schlussberichten der beiden Kommissionen formulierten Handlungsempfehlungen für die gesamtdeutschen Formen der Erinnerung bilden das Fundament der späteren Gedenkstättenkonzeptionen des Bundes. Erst mit der Absicherung der Aufarbeitung des Unrechts in der SBZ/DDR in Ostdeutschland erhielten auch die Gedenkstätten für die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen in den alten Bundesländern erstmals eine geregelte staatliche Unterstützung durch den Bund. Damit trat der seltene Fall ein, dass ein für die ostdeutschen Bundesländer entwickeltes "Modell " auf die alten Bundesländer übertragen wurde. In der Folge bestehen allerdings bis heute Interessenkonflikte darüber, der Erinnerung an welche deutsche Diktatur in welchem Ausmaß staatliche Unterstützung zukommen soll.
It is one of the ironies of history that the East German initiatives for assessing the crimes of the Soviet Occupation Zone/German Democratic Republic, together with the former national memorials in East Germany which were surrounded by an aura of "anti-fascism", managed to build up pressure to take political action and thus achieved something that West Germany's socially ambitious citizens', peace and historical initiatives of the late 1970s and the 1980s and the international associations of victims of Nazi crimes failed to do for dec ades: establish a memorial policy firmly anchored in national policy in the form of promoting and safeguarding a pluralistic, civic "memorial landscape". At the same time, however, the singular nature of research into Nazism and the commemoration of the victims of Nazi crimes was lost, as the victims of the crimes committed in East Germany were also granted a place in collective memory. When the Berlin Wall fell, remembrance paradigms were questioned - not without debates, interpretation battles and distribution conflicts which continue to this day. These historical policy debates concerning the comparison of dictatorships and treatment of different groups of victims were carried out in two commissions of enquiry set up by the German Bundestag, "Assessing the History and Consequences of the SED Dictatorship in Germany" (1992) and "Overcoming the Consequences of the SED Dictatorship in the Process of German Unity" (1995). The commis sions' findings permanently changed the framework conditions for the "memorial landscape" and established an overall German memorial policy for the first time. The recommendations for unified German forms of remembrance that were formulated in the concluding reports of the two commissions formed the foundation of the Federal Government's subsequent memorial concepts. Once a framework for assessing and remembering the injustices committed in East Germany had been established, memorials to the victims of Nazi crimes in former West Germany began to receive regular funding from the Federal Government for the first time. This gave rise to a rare case in which a "model" developed for the eastern federal states was applied to the old western federal states. As a result, however, there are still conflicts of interest concerning how much state support should be provided for the remembrance of which German dictatorship.
Seit 1990 wird kontrovers über die Auseinandersetzung mit der sogenannten "doppelten" oder "mehrfachen" Vergangenheit in Deutschland - die Zeit des Nationalsozialismus sowie die Zeit der kommunistischen Diktatur in Ostdeutschland in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR - diskutiert. Der Beitrag befasst sich mit geschichtspolitischen Ansätzen und Konflikten zum Umgang mit der "doppelten" Vergangenheit in deutschen Gedenkstätten. Zunächst wird ein Überblick über die Entstehung bundesweiter Gedenkstättenkonzeptionen gegeben, die auf eine differenzierende Erinnerung des Nationalsozialismus und der kommunistischen Diktatur in der DDR zielen. Anschließend wird der gleichsetzende Ansatz des umstrittenen sächsischen Gedenkstättengesetzes von 2003 sowie die konfliktreiche Entwicklung des Gedenkortes Fort Zinna in Torgau diskutiert. Die Beispiele verdeutlichen die Schwierigkeit, einen Konsens und ein Gleichgewicht beim Gedenken der "doppelten" Vergangenheit zu erreichen, u. a. wegen der unvereinbaren Erinnerungen verschiedener Opfergruppen. Auch wenn die Auseinandersetzung mit den zwei Diktaturen in Deutschland als gleich wichtig erklärt wird, hat das Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen in der Auseinandersetzung mit der "doppelten" Vergangenheit weiterhin Vorrang. Anhand des Beispiels der Gedenkstätte Sachsenhausen wird argumentiert, dass diese Priorisierung weniger einer politischen Strategie als dem öffentlichen Geschichtsverständnis geschuldet ist. Schließlich wird die europäische Perspektive des Gedenkens der "doppelten" Vergangenheit betrachtet, insbesondere hinsichtlich der geschichtspolitischen Wirkung des "Europäischen Gedenktags an die Opfer von Stalinismus und Nazismus".
Since 1990, there have been frequent debates and controversies about how best to confront Germany's "double past", defined as the period of National Socialism and the period of Communist dictatorship in East Germany under the Soviet occupation and the SED regime. This article examines strategies to address the " double past" at German memorials and a range of associated controversies. It will firstly discuss the national memorial concept adopted in 1998, which advocates a differentiated approach to the remembrance of National Social ism and the Communist dictatorship in the GDR. It will then consider the memorial concept implemented by the state of Saxony in 2003, which provoked controversy on account of its equationist strategy, along with the conflict surrounding the development of the Fort Zinna memorial in Torgau. These examples illustrate the difficulty of achieving a balanced and consensual strategy for remembering the "double past", which is com pounded by the irreconcilable memories of different victim groups. Even though confrontation with the two dictatorships in Germany is ascribed equal importance, in practice the remembrance of the victims of Nazism remains dominant. The Sachsenhausen memorial will be used as an example to show how this prioritisation is governed less by political interests than public perceptions of the past. Finally, the article will explore the " double past" from a European perspective with a discussion of the establishment of the "European Day of Remembrance for the Victims of all Totalitarian and Authoritarian Regimes" and its potential impact on commemoration.
Nach der deutschen Vereinigung erlebten die Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - anders als zunächst befürchtet - einen Bedeutungszuwachs und durch die Gedenkstättenförderung des Bundes eine Stärkung, die sie zu wichtigen erinnerungskulturellen Akteuren hat werden lassen. Der Beitrag fragt nach den Gründen dieser Entwicklung, die weniger Ausdruck eines gesellschaftlichen Bewusstseinswandels als vielmehr Ergebnis geschichtspolitischer Zuschreibungen ist: Die Gedenkstätten wurden zum sichtbaren Beleg für eine gelungene "Vergangenheitsbewältigung ", die das Vertrauen in die zur europäischen Zentralmacht gewachsene Bundesrepublik Deutschland international stärkte. Der Erfolg der Gedenkstätten ist daher ambivalent und steht angesichts der Gefahren der Ritualisierung, modischer Gefälligkeiten medialer Perfektion und steriler Ausstellungsmodernität, des Verlustes zivilgesellschaftlichen Engagements, der Relativierungen und Beliebigkeiten sowie der Verschiebung der geschichtspolitischen Koordinaten zum Zweck einer europäischen Identitätsstiftung unter der Fahne des "Antitotalitarismus" auf tönernen Füßen. Der Beitrag fragt danach, ob auch die neue Bundesregierung - so sie dem im Dezember 2013 zwischen CDU, CSU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag folgen sollte - einen "geschichtspolitischen Paradigmenwechsel " in den Blick nimmt. Befürchtungen, dass mit den Erfolgen in der Entwicklung der Gedenkstätten deren praktische Folgenlosigkeit einhergehen könnte, sind nicht unbegründet; ihnen kann seitens der Gedenkstätten nur durch die Konzentration auf ihre eigentliche Aufgabe begegnet werden: Unter gewissenhafter Prüfung der Quellen und Befunde darzustellen, was sich zugetragen hat, die Verbrechen beim Namen zu nennen, das Vermächtnis der Überlebenden zu wahren und sich in didaktischer Perspektive im kritischen Dialog mit Wissenschaft und Öffentlichkeit daran zu orientieren, was am Gewesenen für Gegenwart und Zukunft relevant bleibt - und auf diesem Wege "anstößig" zu bleiben.
After German unification, memorials to victims of the Nazis increased in importance - con trary to initial fears - and funding from the federal government enabled them to become important stakeholders in memory culture. This article explores the reasons for this development, which are less an expression of a social shift of consciousness and more the result of attributions relating to the politics of history: The memor ials became visible proof of having successfully "come to terms with the past", and this strengthened international trust in Ger many, which had become a central power in Eur ope. The success of the memorials is therefore ambivalent, and in light of the dangers of ritualisation, the fashionable indulgence of media perfection and sterile exhibition modernity, the loss of civil engagement, relativisation and arbitrariness, and the shifting of memory politics coordinates for the purposes of creating a European identity under the flag of "anti-totalitar ianism", it has feet of clay. This article questions whether the new federal government - if it follows the coalition agreement between the CDU, CSU and SPD from December 2013 - will also turn its attention to a "paradigm shift in memory politics". Fears that the successful development of the memorials could result in their practical ineffectiveness are not unfounded; all the memorials can do to counter this is concentrate on their actual task: to carefully exam ine the sources and findings in order to present what took place, to call the crimes by their right name, preserve the legacy of the survivors and, from a didactic perspective, en gage in a critical dialogue with scholars and the public so they can orient themselves on the relevance of the past for the present and future - and thus remain "on the offensive".
Die staatliche Aufwertung der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, die in der Gedenkstättenkonzeption des Bundes von 1999/2000 und ihrer Fortschreibung im Jahr 2008 zum Ausdruck kommt, ist mit der Unterstellung einer besonderen pädagogischen Wirkmächtigkeit der historischen Orte verbunden, da die "Authentizität" der Orte nachhaltige Einsichten über die Geschichte ermögliche. Zugleich dient die "Authentizität " als zentrales (geschichts)politisches Argument für den Erhalt und den Ausbau der Gedenkstätten. Von verschiedenen Seiten wird davor gewarnt, in der Gedenkstättenpädagogik den Erlebnishunger nach Echtheit und Anschaulichkeit zu befördern. Die Aufgabe von Gedenkstätten(pädagogik) sei es vielmehr, die Erwartungen der Besucher/-innen aufzufangen und zu reflektieren. Dies ist auch in weiten Teilen das Selbstverständnis der Gedenkstättenpädagogik. An zwei Beispielen aus der gedenkstättenpädagogischen Praxis wird allerdings gezeigt, wie Gedenkstättenpädagogik nicht nur als Korrektiv einer medial geprägten Erlebniserwartung wirkt, sondern unter Nutzung der "Authentizität " des Ortes Anteil an der kommunikativen Herstellung von Wirkmächtigkeit hat und diese in gedenkstättenpädagogischen Veranstaltungen nutzt. Der Aufsatz fragt, ob ein solches Insistieren auf dem "Authentischen" als der spezifischen Grundlage gedenkstättenpädagogischer Arbeit nicht auch daraus resultiert, dass die offiziell anerkannte Daseinsberechtigung der Gedenkstätten grundlegend mit der Annahme einer herausragenden Wirkmöglichkeit von Gedenkstätten verbunden ist.
The increased importance assigned to memorials to the victims of Nazis by the state, as expressed in the Federal Government's memorial concept of 1999/2000 and its update in 2008, is tied to an assumption about the special educational effectiveness of these historical places, as the "authenticity" of the sites supposedly offers lasting insights into history. At the same time, "authenticity" is a central (mem ory) political argument for the preservation and expansion of the memorials. Various parties have warned against promoting the desire to experience realism and vividness in memorial education. Instead, the (educational) task of memorials is to pick up on and reflect visitors' expectations. To a great extent, this is also the self-conception of the field of memorial education. However, two examples of educational practices at memorials reveal how memorial education functions as a corrective to the expectations of experience as shaped by the media, and also how it participates in the communicative production of effectiveness through the "authenticity" of a site and makes use of this in educational events at memorials. This article explores whether the insistence on "authenticity" as the specific foundation of educational work at memorials may also result from the fact that the officially recognised justification for the existence of the memorials is fundamentally tied to the assumption that memorials have an exceptional potential effect.
Der Beitrag beleuchtet die Doppelrolle der Gedenkstätten im geschichtspolitischen Feld: Einerseits sind sie symbolpolitische Orte, andererseits agieren sie als Institutionen selbst geschichtspolitisch. Dieses Spannungsfeld wird am Beispiel des Gedenkens an verfolgte Homosexuelle erörtert. Die symbolpolitische Funktion von Gedenkstätten veranschaulicht eine zivil gesellschaftliche Initiative, die sich für eine Gedenktafel für lesbische Frauen aller Haftgruppen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück einsetzte. Beispiele für geschichtspolitisches Handeln sind die Stellungnahmen von Gedenkstättenleitungen in der Debatte um das Berliner Homosexuellen-Denkmal. Wie sich zeigt, sind Gedenkzeichen auch mit gegenwartsbezogenen Ansprüchen auf gegesellschaftliche Sichtbarkeit und Anerkennung verbunden. Daher bedarf es einer reflexiven Praxis der Gedenkstätten, die nicht allein die historische Dimension symbolpolitischer Entscheidungen bedenkt, sondern auch die gegenwärtigen Macht- und Sichtbarkeitsverhältnisse. Eine solche reflexive Praxis erfordert einen kritischen öffentlichen Diskurs und somit mehr Transparenz in Entscheidungsprozessen von Gedenkstätten.
The article focuses on the double role of memorials: On the one hand, they are arenas of memory politics, on the other hand, they are themselves actively involved in memory pol itics as decision-making institutions. This art icle examines this conflict through the example of the way homosexual victims of persecution are commemorated. A civic initia tive which advocated for a plaque to commemorate les bian prisoners at the Ravensbrück concentration camp will serve to illustrate the symbolic char acter of memorials. Statements from memor ial directors regarding the debate around the memorial to the homosexual victims of Nazi persecution in Berlin, in turn, will serve to exemplify the memorials' role as political actors. The article aims to show that memorials and monuments are also tied to contemporary issues of social visibility and recognition. This means that a reflective code of practice is required, i.e. a practice which considers not only the historical dimensions of memory politics, but also the present-day power structures and visibilities. Such a reflective code of pract ice demands a critical public discourse, and to this end, more transparency in the memorials' decision- making processes is needed.