17.05.2017 Ausstellung, Bericht

Hamburger Fußball im Nationalsozialismus

Gestern wurde die Wanderausstellung „Hamburger Fußball im Nationalsozialismus“ in der Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg eröffnet. Noch bis zum 29. Juni 2017 ist die Ausstellung im dortigen Foyer zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 11-19 Uhr.

An Beispielen aus dem Hamburger Fußballsport werden die Sportpolitik der NSDAP, Maßregelungen von Sportlerinnen und Sportlern, Verbote und Verfolgungen dokumentiert. Ergänzend wird in der Wanderausstellung auch ein Blick auf die Neuorganisation des Sports nach Kriegsende sowie auf die - späte - Aufarbeitung seiner Geschichte geworfen.

Mehr als 170 Forschungseinrichtungen, Archive, Historikerinnen und Historiker, Sammlerinnen und Sammler sowie am Thema Interessierte haben mit Informationen, Fotos und Dokumenten Beiträge zur Ausstellung geleistet. Auf der Eröffnungsveranstaltung in der Zentralbibliothek berichtete Kurator Herbert Diercks in Beispielen, was in der Ausstellung erzählt wird:

Fußball entwickelte sich in den 1920er-Jahren zum Massensport. 1900 wurde in Leipzig der Deutsche Fußball-Bund gegründet. Zu diesem bürgerlichen Verband wahrten die Arbeitersportvereine Distanz und gründeten eigene Fußballverbände. Ein wichtiger Arbeitersportverein in Hamburg war der SC Lorbeer 06. Sportler aus Hamburg-Rothenburgsort und benachbarten Stadtteilen gründeten 1906 aus einem „Straßenverein“ diesen Verein, der sich zu einem der erfolgreichsten Arbeiterfußballvereine Deutschlands entwickelte. Einer der Spieler der Meistermannschaft war August Postler. Der Elektriker August Postler, KPD-Mitglied, galt als ausgezeichneter Rechtsaußen. Seit Machtantritt der Nationalsozialisten beteiligte sich August Postler am Widerstand. Im Juni 1933 wurde er festgenommen und im Oktober 1933 vom Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er starb während der Haft.

Der organisierte Arbeitersport war nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 verboten, während die bürgerlichen Vereine „nazifiziert“ weiter fortbestanden. So mussten die Vereine vorgeschriebene Einheitssatzungen annehmen, in denen das „Führerprinzip“ festgeschrieben war. Weitere Maßnahmen waren die Einführung des Amtes eines „Dietwarts“, der die „völkische“ Haltung der Sportlerinnen und Sportler kontrollierte und ideologische Schulungen organisierte, die Gründung von Wehrsportabteilungen und die Überführung der gesamten Sportjugend in die Hitlerjugend. Die bürgerlichen Vereine folgten dieser Entwicklung überwiegend bereitwillig. Von 1935 bis 1943 wurde mit der Deutschen Vereinspokalmeisterschaft erstmals im gesamten Deutschen Reich ein Fußball-Pokalwettbewerb nach englischem Vorbild ausgetragen, nach dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten auch „Tschammer-Pokal“ genannt. Über 4000 Mannschaften von der Kreisklasse bis zur Gauliga beteiligten sich. 1952/53 setzte der Deutsche Fußball-Bund mit dem DFB-Pokal die Tradition der Vereinspokalmeisterschaft fort.

Jüdische Frauen und Männer waren in den Hamburger bürgerlichen Sportvereinen zunehmend unerwünscht. Viele schlossen sich daraufhin den zunächst weiter bestehenden jüdischen Vereinen an, so wie dem Jüdischen Turn- und Sportverein Bar Kochba oder der Sportgruppe „Schild“. Für die jüdischen Vereinsmitglieder war der Sport auch eine Form der Selbstbehauptung in einer Zeit der Ausgrenzung und Verfolgung. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden die jüdischen Vereine zwangsweise aufgelöst und die Vermögen vom Staat eingezogen.

Ehemalige Nationalsozialisten blieben häufig nach Kriegsende Vereinsmitglieder und besetzten schon bald wieder führende Positionen. Ein Beispiel dafür ist Kurt Adolf Klebeck, der seit 1933 Mitglied der NSDAP und der SS war. Während des Krieges gehörte er der Lager-SS der Konzentrationslager Sachsenhausen und Neuengamme an. Als sogenannter „Stützpunktleiter“ war er für alle Außenlager des KZ Neuengamme in Hannover verantwortlich und in dieser Funktion auch direkter Vorgesetzter des HSV-Fußballidols Otto „Tull“ Harder, der als SS-Führer zu dieser Zeit das Außenlager Hannover-Ahlem leitete. 1947 verurteilte ein britisches Militärgericht Kurt Klebeck wegen Verbrechen im Außenlager Hannover-Ahlem zu einer zehnjährigen Haftstrafe. 1952 vorzeitig aus der Haft entlassen, kehrte er nach Hamburg zurück. 1969 wählte die ordentliche Mitgliederversammlung des SC Sperber Kurt Klebeck zum 1. Vorsitzenden des Vereins.  Er blieb in diesem Amt bis zu seinem Rücktritt im September 1975. In jenem Jahr musste sich Klebeck vor dem Landgericht Hamburg wegen Mordes an 125 Menschen verantworten. Der Prozess endete Ende 1975 mit einem Freispruch. Die Jahreshauptversammlung des Vereins wählte ihn daraufhin in den Ehrenrat.