21.12.2020 Rundbrief

Rundbrief zum Jahreswechsel 2020/2021

Wir möchten mit diesem Brief zum Jahresende die Gelegenheit nutzen, Ihnen für Ihre vielfältige Unterstützung in diesem besonderen Jahr zu danken. Gleichzeitig möchten wir Ihnen einen kurzen Rückblick darüber geben, welche Themen uns in den letzten 12 Monaten beschäftigt haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

das Jahr 2020 hat in vielfacher Hinsicht Änderungen für uns alle gebracht – so auch für die KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Zu Beginn des Jahres wurde die Gedenkstätte mit ihren Außenstellen in eine Stiftung überführt. Vor allem aber die Auswirkungen der globalen Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass das Jahr anders als geplant verlief. Kurzfristig mussten auch für unser gemein­sames Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung neue Wege gefunden werden.

Anfang des Jahres wurde die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die seit 1999 Teil der Hamburger Kulturbehörde war, in die „Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen“, eine selbständige Stiftung öffentlichen Rechts, übergeleitet. Damit verbunden waren zahlreiche organisatorische Veränderungen, die Etablierung der neuen Gremien Stiftungsrat, Fachkommission und Beirat und die stärkere Trennung der Wirtschaftspläne für die von der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Bund gemeinsam geförderten KZ-Gedenkstätte Neuengamme einerseits und der ausschließlich landesseitig geförderten Gedenkstätten Bullen­huser Damm, Fuhlsbüttel, Poppenbüttel und dem denk.mal Hannoverscher Bahnhof andererseits.

Zum 75. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des KZ Neuengamme hatten wir ein umfangreiches Programm und große Gedenkveranstaltungen geplant, zu denen auch vierzehn Überlebende und 500 vor allem ausländische Familienangehörige erwartet wurden. Wir mussten diese Feierlich­keiten absagen, als die globale Corona-Pandemie ein immer größeres Ausmaß annahm. In einem kleinen Kreis mit Hamburgs Ersten Bürgermeister, der Bürgerschaftspräsidentin und dem Kultur­senator sowie einigen Angehörigen der Opferverbände konnten wir ein „Stilles Gedenken“ abhal­ten. Mit einer Website haben wir das diesjährige Gedenken in den virtuellen Raum getragen: Überlebende, Angehörige und Politiker*innen antworteten auf dieser mehrsprachigen Website in Video­beiträgen auf die Frage, was ihnen persönlich der 75. Jahrestag der Befreiung bedeutet. Sie haben damit individuelle Perspektiven beigetragen, die dafür gesorgt haben, dass dieser bedeutende Tag trotz aller Einschränkungen würdevoll begangen werden konnte (https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/75befreiung/).

Die ebenfalls für den Mai geplante Einweihung des von verschiedenen Verbänden geplanten und von Studierenden der Hamburger Hochschule für bildende Künste realisierten aktiven Erinnerungs­zeichens „Ort der Verbundenheit“ konnten wir schließlich im November feierlich begehen. Wir freuen uns über die rege Beteiligung von Angehörigen, die mit einem Plakat an ihre im KZ inhaftierten Familienmitglieder erinnern. Auch wenn wegen der erneuten Pandemie-Beschränkungen Angehörige aus vielen Ländern nicht anreisen konnten, konnten wir mit einer Liveübertragung in einem internationalen Kreis das Projekt würdigen (http://www.ort-der-verbundenheit.org).

Das Dokumentationszentrum „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ hat mit dem feierlichen ersten Spatenstich im Februar einen weiteren großen Schritt hin zur Realisierung in Hamburgs HafenCity gemacht. Es soll hier ab 2023 über die Deportation von über 8.000 Jüdinnen und Juden, Romnja und Roma sowie Sintize und Sinti aus Hamburg und Norddeutschland informieren. Auch eine internationale Tagung widmete sich dem Thema „Verfolgung und Deportationen von 1938 bis 1945 in Europa dokumentieren und ausstellen“. Ein umfassender Begleitband hierzu wird im nächsten Jahr erscheinen.

Eine weitere im Oktober ausgerichtete Tagung befasste sich mit „NS-Verfolgten nach der Befrei­ung. Ausgrenzungserfahrungen und Neubeginn“. Diesem Thema war auch die Sonderausstellung gewidmet, die jährlich von der Gedenkstätte – und in diesem Jahr erstmals von der Stiftung – für die Präsentation im Hamburger Rathaus entwickelt wird. Die Ausstellung „Überlebt! Und nun? NS-Verfolgte in Hamburg nach ihrer Befreiung“ wurde anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus vom 16. Januar bis 9. Februar 2020 gezeigt und das Thema mit einem ausführ­lichen Veranstaltungsprogramm in die Stadt getragen.

Das 6. Forum „Zukunft der Erinnerung“ im November konnten wir dann unter großer interna­tio­naler Beteiligung digital ausrichten: Passenderweise beschäftigte sich das Forum in diesem Jahr mit unterschiedlichen Formen der Medialisierung der Erinnerung an den Nationalsozialismus. Auch bei dem diesjährigen Treffen der Gedenkstätten und Initiativen an Orten ehemaliger Außenlager des KZ Neuengamme stand dieses Thema sowie die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Digitalisierung in der Gedenkstättenarbeit im Zentrum.

Im August 2020 ist das vom Auswärtigen Amt unterstützte Ausstellungsprojekt „Tat- und Erinne­rungsort Riga“ begonnen worden, dessen Ergebnisse in den Jahren 2022/23 in Hamburg und mehreren anderen Städten öffentlich präsentiert werden.

Mehrere Publikationsprojekte konnten wir im vergangenen Jahr umsetzen, beispielhaft möchten wir auf das Buch „Ein aufgeschobenes Leben“ der tschechischen KZ-Überlebenden Edith „Dita“ Kraus hinweisen, das gemeinsam mit der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten herausgegeben wurde. Ferner waren wir an der Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien zum Thema „Das KZ Neuengamme und die Stadt Hamburg“ beteiligt. Auch über eine Neuerung in der Publika­tionstätigkeit informieren wir Sie an dieser Stelle: 25 Jahre lang bot die Zeitschriftenreihe zur „Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland“ ein Diskussionsforum für regionale Aspekte der NS-Verfolgung in Norddeutschland. Mit Heft 19 („Alliierte Prozesse und NS-Verbrechen“) verließ die Redaktion die Orientierung am norddeutschen Raum, um in Zukunft verstärkt einen größeren geographischen Raum und internationale Aspekte in den Blick zu nehmen. Der erste Band der neuen „Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung“, die wir fortan in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland herausgeben, trägt den Titel „Zwischen Verfolgung und „Volksgemeinschaft“. Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus“. Alle Publikationen können Sie auch in unserem Online-Shop erwerben.

Die Zeit der pandemiebedingten Beschränkungen für die Besuche unserer Ausstellungen nutzen wir weiterhin als Impuls, viele unserer Vermittlungsarbeiten in den digitalen Raum zu verlegen: So haben wir über unsere Social Media-Kanäle Rundgänge angeboten, Vorträge online gestellt und unser internationales Sommer-Workcamp digital abgehalten. Das Projekt „#Waswillstdutun“ schafft Räume für digitale Austausche zum Thema Familiengeschichte. Außerdem können Sie die KZ-Gedenkstätte Neuengamme jetzt auch virtuell besuchen: http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/360tour. Aber auch klassisch analog konnten neue Entdeckungen gemacht werden: So hat unser Archiv im Sommer mit einem Passregister aus dem Jahre 1945 eine einzig­artige Quelle zur Geschichte jüdischer Überlebender der Shoa erhalten.

Auch in diesem Jahr mussten wir uns von Menschen verabschieden, die als Häftlinge das KZ Neuen­gamme überlebt hatten und mit der Gedenkstätte über viele Jahre verbunden waren, darunter Mads Madsen (Dänemark), Lucille Eichengreen (USA), Gloria Hollander Lyon (USA), Miloš Poljanšek (Slowenien), Jewgenij Malychin (Ukraine), Haim Liss (Israel), Jerzy Stoberski (Poland). Dass wir das wich­tige Gedenkjahr nicht mehr mit ihnen gemeinsam begehen konnten, schmerzt uns besonders.

Wir wünschen Ihnen allen, dass Sie wohlbehalten durch diese schwierige Zeit gelangen. Und wir hoffen auf ein neues Jahr, das uns wieder die Gelegenheit geben wird, mit Ihnen in persönlichen Begegnungen zusammenzukommen. Im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen wir Ihnen einen besinnlichen Jahresausklang und ein gesundes, friedliches Jahr 2021.

Prof. Dr. Detlef Garbe, Dr. Oliver von Wrochem

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